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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht
Autoren: Val McDermid
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Glückspilz.«
    »Nein, mach keinen Quatsch, sie blutet.«
    Weirds Gelächter klang laut durch die Nacht. »Also doch kein Glück, Gilly.«
    Alex spürte eine plötzliche Wut in sich aufsteigen. »Ich mach keinen Spaß, verdammt noch mal. Kommt hier rauf. Ziggy, komm her, Mensch.«
    Jetzt hörten sie, wie ernst Alex’ Stimme klang. Ziggy wie immer voran, stapften sie durch den Schnee zur Kuppe des Hügels. Ziggy lief mit Schwung den Hang hoch, Weird stürzte der Länge nach in Alex’ Richtung hin, und Mondo kam als Letzter und setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Nach seinem Sturz landete Weird Hals über Kopf auf Alex, wodurch sie beide auf die Frau fielen. Dann warfen sie sich herum und versuchten freizukommen, wobei Weird albern kicherte. »Hey, Gilly, so nah bist du ja noch nie an ’ne Frau rangekommen.«
    »Du hast zu viel Stoff intus«, sagte Ziggy zornig, zog ihn zurück, kauerte neben der Frau und fühlte am Hals ihren Puls.
    Es war noch ein Klopfen zu spüren, aber erschreckend schwach.
     
    Die Angst machte ihn augenblicklich nüchtern, als ihm klar wurde, was er da in dem trüben Licht sah. Er war nur Medizinstudent und hatte noch kein Examen, aber er konnte eine lebensbedrohliche Verletzung einschätzen, wenn er sie vor sich hatte.
    Weird hockte sich auf die Fersen zurück und runzelte die Stirn.
    »He, Mann, weißt du, wo wir hier sind?« Niemand beachtete ihn, aber er sprach trotzdem weiter. »Das hier ist der piktische Friedhof. Diese Buckel im Schnee, wie kleine Mauern, sind Steine, die sie als Grabeinfassungen benutzten. Mensch, Alex hat eine Leiche auf dem Friedhof gefunden.« Und er begann zu kichern, was hier, wo alle Geräusche vom Schnee gedämpft wurden, unheimlich klang.
    »Weird, halt verdammt noch mal die Klappe.« Ziggy fuhr mit den Händen weiter über den Leib der Frau, und seine tastenden Finger spürten dabei eine beängstigend tiefe Wunde. Er legte den Kopf zur Seite, um sie besser sehen zu können.
    »Mondo, hast du dein Feuerzeug?«
    Mondo trat zögernd heran und zog sein Zippo heraus, ließ das Rädchen schnippen und kam mit dem schwachen Lichtschein auf Armeslänge an den Körper der Frau und ihr Gesicht heran.
    Er hielt sich die freie Hand vor den Mund, konnte aber sein Stöhnen nicht unterdrücken. Seine blauen Augen waren vor Entsetzen aufgerissen, und die Flamme zitterte in seiner Hand.
    Ziggy zog scharf die Luft ein, seine Gesichtszüge wirkten in dem flackernden Licht unheimlich. »Scheiße«, stöhnte er. »Es ist Rosie von der Lammas Bar.«
    Alex konnte sich nicht vorstellen, dass er sich jemals schlimmer fühlen könnte. Ziggys Worte waren wie ein Stich in sein Herz. Mit einem leisen Ächzen wandte er sich ab und erbrach Bier, Pommes und Knoblauchtoast in den Schnee.
    »Wir müssen Hilfe holen«, sagte Ziggy entschieden. »Sie lebt noch, aber sie wird nicht lange in diesem Zustand bleiben.
     
    Weird, Mondo – zieht eure Mäntel aus.« Während er sprach, streifte er seine eigene Schaffelljacke ab und legte sie vorsichtig um Rosies Schultern. »Gilly, du bist der Schnellste. Geh und hol Hilfe. Geh zu einem Telefon. Weck jemanden auf, wenn’s sein muss. Aber hol jemand her, ja? Alex?«
    Völlig benommen kam Alex auf die Beine, rannte den Hügel wieder hinunter, dass seine Stiefel den Schnee aufwirbelten, und versuchte zugleich, den Halt nicht zu verlieren. Er trat aus der Baumgruppe in den Schein der Straßenlaternen, die die neueste Sackgasse eines in den letzten Jahren entstandenen Wohngebiets beleuchteten. Auf dem schnellsten Weg dorthin zurück, wo sie hergekommen waren, das war am besten. Alex lief mit gesenktem Kopf mitten auf der Straße, rutschte hin und wieder aus und versuchte das Bild dessen loszuwerden, was er gerade vor sich gesehen hatte. Aber das war genauso unmöglich, wie im Pulverschnee gleichmäßig und zügig voranzukommen. Wie konnte diese erschütternde Gestalt zwischen den piktischen Gräbern Rosie von der Lammas Bar sein? Heute Abend waren sie gerade dort gewesen, hatten gut gelaunt und lärmend im warmen gelben Licht der Bar gesessen, ein Glas Tennent nach dem anderen getrunken und noch einmal die Freiheit des Studentenlebens genossen, bevor sie dreißig Meilen weiter in die steifen Zwänge weihnachtlicher Familienfeiern zurückkehren mussten.
    Er hatte selbst mit Rosie gesprochen und mit ihr in der ungeschickten Art Einundzwanzigjähriger geflirtet, die nicht sicher sind, ob sie noch dumme Jungs oder schon Männer von Welt sind. Er
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