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Echo Einer Winternacht

Titel: Echo Einer Winternacht
Autoren: Val McDermid
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ersten Nachmittag an, an dem sie sich nach der Schule in Alex’
    Zimmer versammelt hatten, um sich sein frisch erworbenes Album Ziggy Stardust and the Spiders front Mars anzuhören, war es unvermeidlich gewesen, dass der charismatische Sigmund, der ausgestoßene Messias, für alle Zeiten Ziggy heißen würde. Und die anderen würden sich mit den Spiders zufrieden geben müssen. Alex nannte man Gilly, obwohl er sich gegen diesen läppischen Namen wehrte, der für jemanden mit dem stämmigen Körperbau eines Rugbyspielers nicht passte.
    Aber über seinen Familiennamen, den er nun mal zufällig hatte, ließ sich kaum streiten. Und keiner zweifelte auch nur einen Moment daran, dass für das vierte Mitglied ihrer Gruppe nur Weird – der komische Kauz – in Frage kam. Denn seltsam war dieser Tom Mackie, daran ließ sich nicht deuteln. Als der Größte seines Jahrgangs sah er mit seinen langen, schlaksigen Gliedern absonderlich aus, was zu seiner Persönlichkeit passte, denn er hatte eine Vorliebe fürs Ausgefallene.
    Dann blieb nur noch Davey übrig, ein treuer Pink-Floyd-Anhänger, der sich hartnäckig weigerte, einen Spitznamen aus dem Bowie-Spektrum anzunehmen. Eine Weile hatte er sich widerstrebend Pink nennen lassen, aber als sie zum ersten Mal
    »Shine on, You Crazy Diamond« hörten, gab es keine weitere Diskussion mehr. Davey war eben einfach der Crazy Diamond, er sprühte unerwartet Feuer in alle Richtungen, war aber außerhalb seiner gewohnten Umgebung gereizt und empfindlich.
    Aus Diamond wurde bald Mondo, und der Name Mondo Davey Kerr blieb ihm für den Rest des Schuljahres und bis zur Universität erhalten.
     
    Alex schüttelte verwundert den Kopf. Obwohl er nach viel zu viel Bier benebelt war, fragte er sich, was ihre Viererbande all diese Jahre zusammengehalten hatte. Schon beim Gedanken daran stieg eine Wärme in ihm auf, die der heftigen Kälte entgegenwirkte, als er plötzlich über eine hoch stehende Wurzel stolperte, die unter der weichen Schneedecke verborgen lag.
    »Scheiße«, murmelte er und rempelte Weird an, der ihm einen gutmütigen Schubs gab, so dass Alex strauchelnd nach vorn schoss. Er versuchte mit den Armen fuchtelnd das Gleichgewicht zu halten, ließ sich dann vom Schwung weiter torkelnd den Hang hinauftragen, wobei der kalte Schnee auf seinen geröteten Wangen ihn wach machte. Als er die Kuppe erreichte, sanken seine Beine plötzlich in eine unerwartete Mulde, und er fiel kopfüber hinein.
    Aber sein Sturz wurde von etwas Weichem gebremst. Alex versuchte verzweifelt sich aufzusetzen und drückte gegen das, worauf er gefallen war. Er spuckte den Schnee aus, rieb sich mit kribbelnden Fingern die Augen und schnaufte durch die Nase, um die eiskalten schmelzenden Flocken loszuwerden. Als er sich umsah, was ihn so weich hatte fallen lassen, erschienen gerade die Köpfe seiner Kameraden am Abhang, die über seine absurde Lage grinsten.
    Selbst in dem unheimlichen, schwachen Licht auf dem Schnee konnte er erkennen, dass das Hindernis, das seinen Sturz gebremst hatte, nichts Pflanzliches war. Der Umriss eines menschlichen Körpers war unverkennbar. Die schweren weißen Flocken begannen zu schmelzen, sobald sie auftrafen, und so konnte Alexander sehen, dass es eine Frau war, deren nasse dunkle Haarsträhnen sich auf dem Schnee wie die Locken der Medusa ausbreiteten. Ihr Rock war bis zur Taille hochgeschoben, ihre schwarzen, bis zu den Knien reichenden Stiefel sahen deshalb an den weißen Beinen umso unpassender aus. Er sah merkwürdige dunkle Flecken auf ihrer Haut, und die helle Bluse klebte eng an ihrer Brust. Alex starrte eine Weile darauf, ohne etwas zu begreifen, dann betrachtete er seine Hände und sah dieselben dunklen Flecken auf seiner eigenen Haut. Blut. In dem Augenblick, als der Schnee in seinen Ohren schmolz und er ihr schwaches röchelndes Atmen hörte, kam ihm die Erkenntnis.
    »Guter Gott«, stotterte Alex und versuchte vor dem entsetzlichen Fund zurückzuweichen. Aber er stieß immer wieder an etwas, das sich wie eine niedrige Steinmauer anfühlte, als er rückwärts kriechen wollte. »Mein Gott.« Er sah verzweifelt hoch, als könne der Anblick seiner Freunde den Bann brechen und all dies verschwinden lassen. Dann schaute er auf das entsetzliche Bild im Schnee zurück. Es war nicht die Halluzination eines Betrunkenen. Es war Realität. Er wandte sich an seine Freunde. »Hier oben liegt ein Mädchen«, rief er.
    Weird Mackies Stimme kam gespenstisch zurück. »Du
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