Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
von den Jungs in den zwei andern Zellen«, sagte er.
    »Achte nicht auf sie.«
    »Die reden im Dunkeln, wenn niemand anders in der Nähe is ... Letzte Nacht hat Garland Jimmy Cole – das is der, der über und über tätowiert is – was erzählt. Garland hat zu ihm gesagt: ›Verdammt, die alte Frau hat mich an meine Mutter erinnert. Sie hat gefesselt hinter dem Ladentisch gelegen, zu Tode erschrocken, und hat zu mir hochgeguckt. Die hat so elend ausgesehn, sag ich dir, daß mir’s richtig weh getan hat. Also bin ich hin zu ihr und hab gesagt: »Gute Frau, jemand wie Sie hat es nicht verdient, daß ein Mann wie ich ihr was Böses antut«, und ich hab ihr beide Hände aufs Gesicht gelegt, und sie hat in die Hose gemacht und is auf der Stelle gestorbene.«
    Mister Holland, die haben so laut gelacht, daß ich mir die Matratze um den Kopf wickeln mußte, damit ich’s nicht gehört hab ... Mister Holland?«
    Ich klopfte an die Milchglasscheibe von Marvin Pomroys Bürotür.
    »Wieviel Wert legen Sie auf ein paar hieb- und stichfeste Beweise gegen Garland T. Moon?« fragte ich.
    »Was haben Sie denn?« erwiderte Marvin.
    »Lucas kann Moon aufgrund einer Aussage festnageln.«
    Marvin wirkte unschlüssig. »Fahren Sie fort«, sagte er.
    »Was bieten Sie?«
    »Wir sind hier nicht auf dem Basar, Billy Bob. Ich habe einen Zeugen, der gesehen hat, wie Moon in den Laden gegangen ist.«
    »Vergessen Sie Ihren Zeugen. Ich habe ein Geständnis.«
    »Wollen Sie, daß das Verfahren eingestellt wird?«
    »Nein.«
    »Wenn es so ist, wie Sie sagen, kann man vielleicht die Kaution halbieren ... Möglicherweise können wir auch bei der Anklage eine Stufe tiefer ansetzen.«
    »Totschlag, keine Vergewaltigung.«
    »Totschlag und sexuelle Nötigung.«
    »Das reicht mir nicht.«
    Marvin kratzte sich am Hinterkopf.
    »Hinsichtlich des Strafmaßes werde ich keine Einwände vorbringen, wenn Sie auf seine Jugend und seine bisherige Unbescholtenheit verweisen«, sagte er.
    Er saß mit seinen roten Hosenträgern da und hörte schweigend zu, als ich die Geschichte wiedergab, die Lucas mir gerade erzählt hatte. Er nahm die Nickelbrille ab und putzte sie mit einem Kleenex.
    »Sie ist erstickt. Sie ist nicht vor Angst gestorben«, sagte er.
    »Er sagt, er hat ihr die Hände aufs Gesicht gelegt. Läuft aufs gleiche raus. Hat sie sich in die Hose gemacht?«
    »Ja.«
    »Dann haben Sie ihn«, sagte ich.
    »Mag sein.«
    »Schon, daß wir uns einig geworden sind, Marvin.« An der Tür drehte ich mich noch einmal um. »Sie haben das arrangiert, nicht wahr?« sagte ich.
    »Ich? So schlau bin ich nicht, Billy Bob. Aber besten Dank, daß sie es mir zutrauen.«
    An diesem Abend arbeitete ich noch lange in meiner Kanzlei. Die Osterferien hatten begonnen, in denen die Collegekids nach Hause kamen und ihre alten Schulrituale Wiederaufleben ließen, so als wollten sie ihre Nachfolger darauf hinweisen, daß sie ihre jugendlichen Tollereien nie und nimmer missen mochten. Mein Fenster stand offen, und ich sah das fahle Leuchtzifferblatt der Uhr auf dem Gerichtsgebäude, sah, wie sich die Blätter der Eichen im Wind regten und die Kids aus den reichen Gegenden Stoßstange an Stoßstange die Main Street entlangkutschierten, in Richtung Osten, zu den Wohnvierteln der Mexikaner und Schwarzen am anderen Ende der Stadt, wo es keine geteerten Straßen gab.
    Die Sonne war fast untergegangen, und ein eigenartiger blauer Lichtschein lag auf dem Rathausplatz. Die Luft duftete nach Blumen und reifenden Wassermelonen draußen auf den Feldern. Unten kurvte der Autokorso um den Platz, die aufgemotzten Kisten mit den chromblitzenden, offenliegenden Motoren und den fetten, tief grollenden Auspuffrohren außen an der Karosserie, die Pickups, die Kabrios und die Vans, alle so gespritzt, daß die Rottöne, das Orange und der bonbonlila Lack wie glasiert wirkten. Eine Bierdose landete scheppernd auf dem Gehsteig, ein angetörntes Mädchen in einem hautengen weißen Kleid stand auf dem Rücksitz eines Pickup und zog ihren Rocksaum hoch.
    Morgen früh um neun sollte über Lucas’ Kaution verhandelt werden. Aus irgendeinem Grund griff ich zum Telefon und rief im Gefängnis an.
    Harley Sweet meldete sich.
    »Haben Sie dafür gesorgt, daß dem Jungen heute nacht nichts passiert«, sagte ich.
    »Noch mal, bitte.«
    »In Ihrem Knast gehen seltsame Sachen vor sich. Wehe, wenn meinem Mandanten etwas zustößt.«
    »Ihr Mandant is ein Pisser, den ich nicht mal anspucken tat, auch wenn er’s
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher