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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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an und fuhr dann zu Marvin Pomroy, dem Staatsanwalt. Er wohnte in einem stuckverzierten weißen Haus, das im Schatten immergrüner Eichen im alten, wohlhabenden Viertel von Deaf Smith lag.
    Seine Frau öffnete die Tür und bat mich herein, aber ich bedankte mich und fragte, ob Marvin einen Moment herauskommen könnte. Er hatte noch die Serviette in der Hand, als er auf die Veranda trat.
    »Ich habe gehört, daß Beweismittel verschwunden sind«, sagte ich.
    »Wenden Sie sich an den Sheriff.«
    »Ich halte Sie für einen Ehrenmann, Marvin. Führen Sie mich nicht an der Nase rum.«
    »Ich bleibe dabei. Außerdem sollten wir so was nicht bei mir zu Hause regeln.«
    »Wenn hier schlampig ermittelt wird, fährt mein Mandant womöglich ein.«
    Er griff hinter sich und zog die Haustür zu. Der gelbe Schein der Außenlampe fiel auf seinen wohlgeformten Schädel, die tadellos gekämmten kurzen Hare und die Nickelbrille.
    »Jetzt hören Sie mal zu, verdammt noch mal. Der Junge hat von hinten bis vorne Dreck am Stecken. Kommen Sie mir nicht mit so einem Käse«, sagte er.
    »Ich habe heute den Sheriff gebeten, daß er ihn verlegt. Nichts hat sich getan.«
    »Damit habe ich nichts zu schaffen. Aber wissen Sie, was mir zu schaffen macht? Ein gewisser Garland T. Moon, eine Type wie aus dem tiefsten Höllengrund. Er hat in Kalifornien eine ganze Familie ermordet, hat sie im Keller gefesselt und einen nach dem anderen mit einem Messer umgebracht. Aber sein Anwalt hat bereits die meisten Beweismittel für unzulässig erklären lassen, weil sie ohne ordentlichen Durchsuchungsbefehl sichergestellt wurden. Hier bei uns hat er eine alte Frau umgebracht, aber wenn ich ihm das nicht nachweisen kann, kommt er wieder raus, lebt mitten unter uns, kann jederzeit wieder zuschlagen ... Hören Sie, ich könnte Lucas vorsätzlichen Mord zur Last legen. Aber ich habe mich anders entschieden. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill, Billy Bob?«
    »Nein.«
    Er schüttelte den Kopf, teils mitleidig, teils versonnen.
    »Schauen Sie mich nicht so an«, sagte ich.
    »Sie waren Bundesanwalt. Warum haben Sie das hingeschmissen?«
    »Sie können mich mal, Marvin«, sagte ich.
    »Kommen Sie rein, und essen Sie mit uns«, erwiderte er.
    »Nein.«
    »Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht«, sagte er.
    Ich ging quer über den Rasen zu meinem Auto. Es kam mir so vor, als ob tausend Schatten im Garten tanzten, im Wind zerbarsten und wieder von neuem anfingen. Ich warf einen Blick zurück zu Marvins Haus und sah ihn unter einem gleißenden Kronleuchter mit seiner Familie am Eßtisch sitzen. Sie reichten sich allerlei Schüsseln und Schalen und genossen sichtlich ihr Beisammensein.

4
    Ich wachte kurz vor Sonnenaufgang auf, briet mir in der Küche Eier mit Speck, aß sie auf der hinteren Veranda aus der Pfanne, tunkte den Dotter mit Brot auf und trank eine Tasse Kaffee dazu. Der Tag brach grau und neblig an, und die Luft war so kühl und feucht, daß man von weit her jedes Geräusch hören konnte – eine Brasse, der drüben im Weiher sprang, das Knarren einer Windmühle, eine Kuhglocke, die am Tor meines Nachbarn schellte.
    L. Q. Navarro lag auf der weißgestrichenen eisernen Gartenbank unter dem Maulbeerbaum, hatte den Stetson schief auf dem Kopf sitzen und die Wange auf die Wand gestützt.
    Ich achtete nicht auf ihn.
    Aber wenn ich die Augen schloß, sah ich uns beide wieder, wie wir in einem schlammigen, mit Schilf überwucherten Flußbett in Coahuila über die Grenze ritten. Insekten flogen uns in der Dunkelheit in Mund und Nase, und der Schweiß brannte uns in den Augen. Dann donnerte ringsum eine Salve los, Mündungsfeuer blitzte hinter Sandhügeln und Dornbüschen, Mesquitebäumen und ausgeschlachteten Autowracks auf, und die Pferde brachen unter uns ein, als habe man ihnen den Bauch aufgeschlitzt.
    Doch L. Q.s Stute rappelte sich wieder auf, obwohl Blut aus einem Loch in ihrer Brust schoß, warf den Kopf mit den losen Zügeln hin und her und galoppierte voller Panik durch ein Arroyo davon. Dann sah ich, daß sich L. Q.s Stiefel mit dem mexikanischen Radsporn im Steigbügel verfangen hatte, sah, wie er über die Felsen geschleift wurde, wie er die Arme um den Kopf geschlungen hatte, während ihm die Hufeisen der Stute die Jacke von der Schulter fetzten.
    Mein rechter Arm war taub und hing schlaff herunter, von einer Kugel getroffen, die den Oberarmknochen glatt durchschlagen hatte. Ich stand aufrecht da und schoß mit der Linken, bis die Neunmillimeter leer
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