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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Todesstrafe verhängt. Er hat ihm erklärt, wie es ist, wenn man durch die Giftspritze stirbt, wie sich die Muskeln allmählich in Zement verwandeln, so daß sich die Lunge nicht mehr heben und senken kann, daß man inwendig erstickt, während rundum alle zugucken.
    Harley is schon fast wieder beim Fahrstuhl gewesen, als der Typ sagt: ›Fannin Street Nummer eins ... eins ... eins.‹ Da is Harley durchgedreht. Er hat drei andere Jungs rauf gerufen, und dann sind sie in die Zelle von dem Typ, haben ihn in Ketten gelegt und runter zur Dusche geschleppt. Dann is Harley zu einem Spind gegangen und hat eine Elektrorute rausgeholt, wie man sie zum Viehtreiben benutzt. Mister Holland, der Typ hat die Augen verdreht, und die Unterhose hat ihm um die Knöchel gehangen, als sie in zurückgeschleift haben ...«
    »Hör mir mal zu, Lucas. Solange du hier drin bist, hast du nichts gesehen«, sagte ich.
    »Ich pack das nicht. Der Typ in der anderen Zelle, Jimmy Cole heißt der, der hat mir heut morgen erzählt, was er mit nem kleinen Jungen in Georgia gemacht hat.«
    Er fing hemmungslos zu weinen an, umklammerte seine Knie, kniff die Augen zu, und die Tränen liefen ihm übers Gesicht.
    Das Büro des Sheriffs befand sich in einem Flachbau aus gelbem Sandstein, der ursprünglich, in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, als Gefängnis gedient hatte. Er war gut und gern eins fünfundneunzig groß und zirka drei Zentner schwer, aß fünf Mahlzeiten am Tag, rauchte eine Zigarre nach der anderen, hatte einen Spucknapf neben seinem Schreibtisch stehen, und an den uralten Holzwänden waren, ordentlich gerahmt, die Bilder all der Männer aufgehängt, die unter Mitwirkung seiner Dienststelle vom Staat Texas hingerichtet worden waren.
    Als einfacher Volksschüler hatte er es immerhin geschafft, sich siebenundzwanzig Jahre im Amt zu halten.
    Er ließ einen Pokerchip auf seinem Schreibtisch tanzen, während ich redete. Er hatte die Stirn in die Falten gelegt, und seine massigen Oberarme waren von der Sonne verbrannt.
    »Verschwundene Beweismittel? Nein, Sir, nicht in meiner Dienststelle. Woher haben Sie das denn?« Er schaute mich mit seinen ausdruckslosen grauen Augen an.
    »So was kommt vor, Sherif f. Manchmal wird was verlegt.«
    »Darauf gibt’s nur eine Antwort. Der Misthund, der Ihnen das erzählt hat, ist ein gottverdammter Lügner. Aber –« Er nahm einen Bleistift zur Hand und kritzelte etwas auf einen Block. »Ich notier mir das und melde mich wieder bei Ihnen. Zufrieden?«
    »Ich möchte, daß mein Mandant verlegt wird.«
    »Warum das?«
    »Harley Sweet treibt sich nachts im Zellenblock rum. Ich möchte nicht, daß mein Mandant da als Zeuge hineingezogen wird.«
    Er lehnte sich auf seinem Drehstuhl zurück, hielt den Bleistift mit beiden Händen.
    »Wollen Sie damit sagen, daß Harley einen Häftling mißhandelt hat?« fragte er.
    »Meiner Ansicht nach ist er ein kranker Mann.«
    Er schaute mich einen Moment lang durchdringend an, dann lachte er schallend los. »Verflucht, er muß doch was zu tun haben, mein Guter. Ich kann doch nicht zulassen, daß der halbe Bezirk von der Sozialhilfe lebt.«
    »Wiedersehen, Sheriff.«
    »Brechen Sie sich bloß keinen ab. Ich laß den Jungen verlegen und red mit Harley. Bumsen Sie mal wieder, oder gönnen Sie sich sonst was Angenehmes. Jedesmal, wenn Sie hier Feinkommen, bin ich hinterher völlig fertig.«
    An diesem Abend fuhr ich mit Temple Carrol hinaus zum Shorty’s. Der Parkplatz war voller rostiger Spritschlucker, aufgemotzter heißer Kisten, wie sie sich die Jungs in den fünfziger Jahren selbst zusammengebastelt hatten, gechopperter Motorräder, glänzender neuer Kabrioletts, Vans mit Panoramafenstern und Pickups, die über und über mit Chrom verziert waren.
    Drinnen herrschte ein ohrenbetäubender Lärm. Flackerndes Neonlicht fiel auf die Gesichter der Gäste, die sich auf den mit Fliegengitter umspannten Veranden, auf dem Tanzboden vor der Bühne und an der langen, mit einem Handlauf umgebenen Bar drängten, mit heiseren Stimmen aufeinander einredeten, sich mit funkelnden Augen anschauten, als hätten sie eine Massenkarambolage auf dem Highway überlebt und wüßten jetzt, daß sie unsterblich waren. Ins Shorty’s ging man, weil dort etwas geboten wurde – Sprit, Steaks, Gras aus eigenem Anbau, Speed, eine Schlägerei draußen unter den Bäumen oder eine flotte Nummer auf dem Rücksitz –, und die Leute, die hierherkamen, stammten aus sämtlichen Schichten der
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