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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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völlig unbescholten. Er hat sein ganzes Leben in diesem Bezirk zugebracht. Die Kautionsforderung ist nicht nur übertrieben, sie ist bewußt schikanös. Im Grunde genommen hat Marvin nichts gegen meinen Mandanten in der Hand, und das weiß er auch.«
    Das Licht spiegelte sich auf der Brille des Richters, und sein Gesicht, die Mundpartie vor allem, wirkte faltig und zerknittert wie Kreppapier. »›Schikanös‹ ist das also? Erzählen Sie das mal den Angehörigen des toten Mädchens. Übrigens hat mir auch die vertrauliche Art, mit der Sie den Anklagevertreter beim Vornamen angesprochen haben, sehr gefallen. Es gibt doch nichts Herzerfrischenderes als eine Gerichtsverhandlung, bei der man das Gefühl hat, man sei unter guten Freunden. Die Kaution wird auf hundertfünfzigtausend Dollar festgesetzt. Damit sind Sie gut bedient, Herr Rechtsanwalt«, sagte er und schlug mit seinem Hammer auf einen kleinen Holzklotz.
    Als ich aus dem Gerichtssaal ging, packte mich Vernon Smothers am Unterarm. Seine grauen Augen flackerten vor Wut.
    »Alles, was du anrührst, geht in die Hose, Billy Bob«, sagte er.
    »Geh nach Hause, Vernon«, erwiderte ich.
    »Ich will nicht, daß mein Junge zusammen mit nichtsnutzigen Negern eingesperrt wird. Sorg dafür, daß er eine Einzelzelle oder so was Ähnliches kriegt.«
    »Nein, geh nicht nach Hause. Such dir einen Mülleimer und schmeiß dich rein, Vernon«, sagte ich.
    Ich fuhr mit Lucas und einem Deputy im Aufzug nach oben. Lucas trug Fußeisen und Handschellen, die an eine Kette um seine Taille angeschlossen waren. Der Deputy schob die Maschendrahttür des Fahrstuhls auf und schloß dann eine zweite, vergitterte Tür auf, die zum Zellentrakt im zweiten Stock führte. Unsere Schritte hallten von den Sandsteinwänden wider, als wir unter den blanken, nur mit Drahtgittern umgebenen Glühbirnen den Korridor entlanggingen – an einer Reihe von Zellen mit massiven Eisentüren vorbei, in die schmale Schlitze zum Durchreichen des Essens eingelassen waren, an der Sammelzelle vorbei, in der die Besoffenen verwahrt wurden, auf drei vergitterte Zellen am anderen Ende des Ganges zu. Lucas hatte rote Flecken auf Hals und Wangen, so als habe er sich an Trockeneis verbrannt.
    »Hier verwahren wir die Prominenz«, sagte der Deputy. Er blieb vor der mittleren Zelle stehen und schloß Lucas’ Handschellen auf. Rechts von uns wand sich ein Arm zwischen den Gitterstäben heraus.
    »Haben Sie Frischfleisch für uns, Boß?« Der Mann in der Zelle nebenan war halbnackt. Irre starrte er uns an. Sein Kopf sah aus, als sei er zwischen einer Schraubzwinge zerquetscht worden, die Arme waren zu kurz geraten, die fette Brust und der Schmerbauch waren käsebleich und mit grünen und roten Tätowierungen übersät.
    Der Deputy zog den Schlagstock aus dem Gürtelring und schlug knapp neben der Hand des Tätowierten an die Gitterstäbe.
    »Wenn du sie noch mal rausstreckst, brech ich sie dir«, sagte er.
    »Kommen Sie schon, Sie kriegen heut abend meine Marmelade, wenn Sie mir den süßen Kleinen bringen«, sagte der Mann. Er hatte die Hände jetzt um die Stäbe geschlungen und schaute mich voller Boshaftigkeit aus nächster Nähe an. Er roch wie ein Raubtier, feucht und faulig.
    Ich sah, wie Lucas’ Hände zu zittern anfingen, als der Deputy seine Fesseln aufschloß.
    »Lassen Sie mich einen Moment mit ihm allein«, sagte ich.
    »Jederzeit. Aber ich schließ Sie lieber ein, damit Sie keiner zu fassen kriegt. Wenn Sie nämlich meinen, daß der Klugscheißer nebenan ein schlimmer Typ is, dann ham Sie den Kerl auf der andern Seite noch nicht erlebt.«
    Ich ging mit Lucas in die Zelle und ließ uns von dem Deputy einsperren, der anschließend den Korridor hinabging, sich an einen kleinen Tisch setzte und eine Papiertüte mit seinem Mittagessen auspackte.
    »Mir isses egal, ob ich mich an was erinnern kann oder nicht – ich hab dem Mädchen nichts getan. Ich hab sie gemocht. Sie is immer mit den Kids vom College gekommen, aber sie hat nicht so getan, als ob sie was Besondres war«, sagte er.
    »Welche Collegekids?« fragte ich.
    Er setzte sich auf die Pritsche. Eine Schmeißfliege summte über dem offenen Abtritt hinter ihm. Lucas’ Augen wurden trüb.
    »Leute, mit denen sie zur Schule gegangen is, nehm ich an. Komm ich auf den elektrischen Stuhl, Mister Holland?« fragte er.
    »Nein, in Texas gibt es den elektrischen Stuhl nicht mehr. Außerdem wirst du überhaupt nicht wegen Mordes angeklagt werden. Laß mir nur ein
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