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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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Houston auf die Geschichte aufmerksam zu machen, dann die Sender und Nachrichtenagenturen, und schließlich erzählte ich jedem, der mir zuhören wollte, was ich über Felix Ringo wußte. Aber mit der Zeit fand ich mich damit ab, daß die öffentliche Meinung nur das zur Kenntnis nehmen will, was ihr ins Konzept paßt, und daß es sinnlos war, wider den Zynismus und die Skrupellosigkeit der Regierenden anzugehen, und ich hatte eins gelernt: daß es besser war, wenn ich mich davonmachte, sobald jemand allen Ernstes so tat, als ginge es auf der Welt mit rechten Dingen zu.
    Jack Vanzandt hatte sich in einigen Anklagepunkten für schuldig erklärt und war mit einer dreijährigen Freiheitsstrafe in einer Bundeshaftanstalt davongekommen. Ein mildes Urteil, möchte man meinen, wenn man bedachte, daß er Amphetamine und gefälschte Kreditkarten verschoben hatte und indirekt am Tod einer jungen Frau mitschuldig war, bis ich eines Morgens in der Zeitung las, daß er in der psychiatrischen Abteilung einer Bundesklinik Gift genommen, einen Gehirnschlag erlitten und dabei das Augenlicht verloren hatte.
    Emma ließ sich von ihm scheiden, nachdem ihr Haus und der gesamte Besitz von der Regierung beschlagnahmt worden waren. Die Urne mit der Asche ihres Stiefsohns, die auf dem Kaminsims stand, soll sie angeblich nicht mitgenommen haben. Heute leitet sie den Hochzeitstortenversand ihrer Eltern drüben in Shreveport und tritt ab und zu im kirchlichen Kabelfernsehen auf, wo sie für christliche Werte wirbt und wider den Drogenmißbrauch unter Jugendlichen wettert.
    Mary Beth habe ich nie wieder gesehen, jedenfalls nicht bei vollem Bewußtsein. Nach der Operation, als ich tagelang im Morphiumrausch dahindämmerte, hatte ich das Gefühl, daß sie und L. Q. Navarro in meinem Zimmer wären. Aber eines Morgens wachte ich auf, und draußen schien die Sonne, und obwohl ich keine Hand rühren konnte und mein Gesicht brannte, als ob tausend Nadeln darin steckten, wurde mir klar, daß ich wieder genesen würde, und ich sagte ihren Namen, bis mich ein schwarzer Pfleger wieder aufs Kissen drückte und festhielt.
    An einem Freitagabend im Spätsommer gingen Temple Carrol und ich zu einem Spiel von Petes Mannschaft, das auf dem Baseballplatz der katholischen Grundschule stattfand. Ich hatte ihn allein auf Beau hinreiten lassen, und hinterher suchten wir das Café an der Straße auf und bestellten uns Buffalo-Burger und Brombeermilch. Draußen vor dem Fenster zupfte Beau an den Zügeln, bis er endlich frei war, trabte dann zu dem Kiefernwäldchen vor der schlichten Kirche und graste friedlich vor sich hin. Der Deckenventilator in dem Café verbreitete die frische Luft, die durch die offene Tür und die Fenster eindrang, und ich spürte geradezu, wie der Tag zur Neige ging, wie sich die Dämmerung auf die Straßen senkte, konnte förmlich riechen, wie die letzten Tropfen aus den Bewässerungskanälen im Gras verrannen, wie das Harz auf der Borke der Kiefern abkühlte, deren Kronen noch in der Feuerbrunst der untergehenden Sonne aufragten.
    »Ist doch klasse, daß Lucas im Herbst auf die A und M geht, stimmt’s?« sagte Pete.
    »Das ist eine gute Universität«, erwiderte ich.
    »Darf ich heute abend allein mit Beau zurückreiten?«
    »Du bist mir einer, Pete«, sagte ich.
    »Der Kleine ist einfach klasse«, sagte Temple und drückte ihn an sich.
    »Und irgendwann will ich mit Beau raus zu der Stelle reiten, wo man noch die Spuren vom Chisholm Trail sehen kann«, sagte Pete und grinste, als habe er sich bereits mitten ins Abenteuer gestürzt.
    Temple warf mir einen langen Blick zu, und ich sah ihren roten Mund und hätte am liebsten ihre Hände ergriffen.
    Ich hörte, wie Beau draußen mit den Hufen scharrte, tunkte einen Streifen Bisonsteak in das Ketchup, das dick und zähflüssig wie Blut war, und einen Moment lang meinte ich dunkle Wolken über der Prärie zu sehen, aus denen Hagelschlag niederging, und ich dachte an all die Komantschen und Wanderprediger, die dort einst umhergezogen waren, die Viehtreiber und Banditen, und ich wußte ganz genau, daß irgendwo da draußen, hinter dem Rand der Welt, Urgroßpapa Sam und die Rose vom Cimarron ihres Weges ritten, sich kurz im Sattel umdrehten und die Hand zum Abschiedsgruß hoben.

Copyright dieser Ausgabe © 2013 by Edel eBooks,
einem Verlag der Edel Germany GmbH, Hamburg.
    Die Originalausgabe erschien 1997 unter dem Titel "Cimarron Rose" bei Hyperion, New York
Copyright © 1997 by James Lee
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