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Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)

Titel: Dunkler Strom (Billy Bob Holland) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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bißchen Zeit. Wir kriegen dich da schon raus.«
    »Wie?«
    Darauf konnte ich ihm keine Antwort geben.
    Als ich rausging, hörte ich, wie der Mann mit dem mißgebildeten Kopf und dem bleichen Schmerbauch schrill auflachte und Lucas nachäffte. »Komm ich auf den elektrischen Stuhul? Komm ich auf den elektrischen Stuhul ... Hey, du Pfeife, du landest bei den schwarzen Jungs im Brautgemach, wo sie dir beibringen, wie die Kiste läuft.«
    Er drückte Kinn und Unterleib an die Gitterstäbe und schmatzte feucht und rhythmisch, wie eine Dampflok.
    Ich ging nach Hause und bereitete mir in der Küche das Mittagessen zu. Im Haus war es so still, daß mir die Ohren klingelten. Ich riß sämtliche Fenster im Erdgeschoß auf, zog die Vorhänge zurück und spürte, wie der Wind durch den Flur zog und die mit Fliegengitter bespannte Hintertür aufstieß. Auf dem Eichentisch vor dem großen Flurspiegel lag die Morgenzeitung. Auf der ersten Seite war ein Foto von Lucas, in voller Größe, mit Handschellen. Meine Augen hat er nicht, dachte ich. Die hat er eindeutig von seiner Mutter. Aber die Haare, die Gesichtsform, die Körpergröße ... von Vernon Smothers stammten die auf keinen Fall.
    Ich ging in die Küche zurück und versuchte das Schweinebratensandwich aufzuessen, das ich mir zubereitet hatte.
    Seine Mutter und ich waren gemeinsam zur High-School gegangen. Ihre Eltern waren Wandermusiker gewesen, die in den Tanzschuppen auf den Ölfeldern gespielt hatten, von Texas City bis Caspar, Wyoming. Mit sechzehn hatte sie Vernon Smothers, der zehn Jahre älter war, kennengelernt und geheiratet. Als sie neunzehn war, lief sie mir in Houston über den Weg und bat mich um Geld, damit sie ihn verlassen konnte.
    Ich ließ sie in das alte Haus einziehen, das ich in den Heights gemietet hatte.
    Zwei Wochen später rief ein Kollege von der Polizei in Houston Vernon an und teilte ihm mit, daß ich mit seiner Frau zusammenlebte. Er holte sie eines Nachts, als ich nicht zu Hause war, mitten in einem Hurrikan, der den Pecanbaum im Vorgarten entwurzelte. Ich sah sie nie wieder.
    Einen Monat nach Lucas’ Geburt erlitt sie einen tödlichen Stromschlag, als sie die Wasserpumpe im Brunnen in Ordnung bringen wollte, die Vernon mit Heftpflaster repariert hatte.
    Ich wickelte das angebissene Sandwich in ein Wachspapier und legte es in den Kühlschrank. Als ich mich umdrehte, lehnte L. Q. Navarro mit verschränkten Armen an der Hintertür. Er hatte seinen aschgrauen Stetson auf, und seine Augen funkelten wie Obsidian.
    »Wie geht’s, L. Q.?« fragte ich.
    »Das Wetter ist die Axt. Es will einfach nicht besser werden.«
    »Du willst mir aber heute nicht zusetzen, oder?«
    »Nicht mal im Traum, Billy Bob.«
    Er zog die rote Rose aus dem obersten Knopfloch und zwirbelte sie zwischen Daumen und Zeigefinger. Dort, wo die Blüte gewesen war, klaffte ein Loch, das blutrot leuchtete, wie eine Votivkerze in einem roten Glas.
    »Es war ein Versehen«, sagte ich.
    »Das sag ich dir doch ständig. Tu mir einen Gefallen, schmeiß sie weg, ja?« Er zog mir den Rosenstengel über den Handteller. Meine Finger krampften sich zusammen wie unter einem Rasiermesser.
    Zehn Minuten später hörte ich ein Auto vorfahren. Ich öffnete die Tür, schaute den steinernen Gehweg hinab, der zwischen den Pappeln an der Grenze meines Grundstücks hindurch zur Straße führte, und sah Deputy Sheriff Mary Beth Sweeney aus dem Streifenwagen steigen. Sie rückte ihren Diensthut zurecht, so daß der Lederriemen stramm um den Hinterkopf saß, schob das Hemd unter den Gürtel und kam auf mich zumarschiert. »Prima Fahrgestell«, hätte mein Vater vermutlich gesagt, wenn er sie gesehen hätte – breitschultrig, das Kinn vorgereckt, mit langen Beinen und leichtem Hüftschwung.
    »Wie geht’s Ihnen?« fragte ich.
    »Haben Sie vor, einen Privatdetektiv einzuschalten?«
    »Vielleicht... Wollen Sie nicht reinkommen?«
    »Hier draußen ist es bestens. Drunten am Fluß, vorgestern abend, hat der zuständige Ermittler am Tatort einen Plastiksack voller Bierdosen mitgenommen. Sie sind aber nicht im Schließfach bei den anderen Beweismitteln.«
    »Warum sagen Sie mir das?«
    »Der Junge fährt womöglich zu Unrecht ein. Ich bin damit nicht einverstanden.«
    »Das kann Sie Ihren Job kosten.«
    »Schaun Sie, Sie kennen sich doch aus. Man hat dem Opfer die Zähne ausgeschlagen, aber Ihr Mandant hat keinerlei Verletzungen an den Händen. Eine Waffe hat man auch nicht gefunden. Als wir ihn festgenommen
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