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Diener der Finsternis

Diener der Finsternis

Titel: Diener der Finsternis
Autoren: Dennis Wheatley
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I
     
     
    Der Herzog de Richleau und Rex van Ryn, sein amerikanischer Freund, hatten sich um acht Uhr zum Dinner gesetzt, aber als der Kaffee serviert wurde, war es schon nach zehn.
    Jedesmal, wenn sein Freund in England eintraf, pflegte der Herzog in seinem Haus in der Curzon Street ein Essen zu geben, und Rex hatte mit einem Appetit, der seiner mächtigen Statur entsprach, jedem der erlesenen Gänge und den ausgesuchten Weinen volle Gerechtigkeit widerfahren lassen.
    Die beiden so unterschiedlichen Männer speisten heute zum ersten Mal bei dieser Gelegenheit allein. Zu ihren gemeinsamen Freunden gehörten Richard Eaton, der vor kurzem die bezaubernde Marie Lou geheiratet hatte, und Simon Aron, ein englischer Jude. Der Herzog hatte die jungen Menschen auf seinen Reisen kennengelernt und lud sie, soweit es ihre Zeit erlaubte, gerne zu sich ein. Richard und Marie Lou lebten jetzt mit ihrer kleinen Tochter Fleur in ihrem Landhaus Cardinals Folly in der Nähe von Kidderminster, aber Simon war in London. Während Rex aus dem Zedernholzkästchen, das ihm der Diener präsentierte, eine lange Hoyo de Monterrey wählte, dachte er darüber nach, was Simon veranlaßt haben könne, dem Treffen fernzubleiben. Er hatte den Herzog danach gefragt, doch dieser hatte mit so auffallender Zurückhaltung geantwortet, daß Rex fühlte, irgend etwas sei absolut nicht in Ordnung.
    Langsam ließ er den wundervollen alten Brandy des Herzogs im Schwenker kreisen und wartete darauf, daß der Diener den Raum verließ. Dann setzte er das Glas ab und sprach den Herzog unvermittelt an: »Ich glaube, es ist an der Zeit, daß du mir die Wahrheit sagst. Warum ist Simon nicht hier?«
    »Ja, warum, mein Freund?« wiederholte der Herzog. »Ich habe ihm gesagt, daß du heute in London eintriffst, und ihn eingeladen, aber er war nicht geneigt, uns die Ehre zu geben.«
    »Ist er krank?«
    »Nein, soweit ich weiß, nicht. Jedenfalls war er heute in seinem Büro.«
    »Dann muß er eine Verabredung haben, die er unmöglich rückgängig machen konnte, oder eine äußerst wichtige Arbeit. Anders kann ich mir das nicht erklären.«
    »Er ist, ganz im Gegenteil, heute abend allein zu Hause. Er hat sich damit entschuldigt, daß er sich für ein in Kürze stattfindendes Bridge-Turnier ausruhen müsse.«
    »Ein Bridge-Turnier!« rief Rex ärgerlich aus. »Das kann ich einfach nicht glauben! Für meine Begriffe ist da etwas nicht in Ordnung. Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
    »Vor ungefähr drei Monaten.«
    »Das ist doch nicht möglich!« Rex schob den Onyx-Aschenbecher beiseite und beugte sich über den Tisch. »Ihr habt doch nicht etwa Streit gehabt?«
    De Richleau schüttelte den Kopf. »Rex, wenn ein Mann in meinem Alter, der keine Kinder hat, zwei junge Männer kennenlernt, die ihm ihre Zuneigung schenken und alle Eigenschaften besitzen, die er sich bei einem eigenen Sohn gewünscht hätte, dann streitet er nicht mit ihnen.«
    »Aber ihr habt euch früher zwei- oder dreimal in der Woche getroffen. Nun sag schon – was weißt du?«
    Der Herzog schoß einen Blick seiner grauen, durchdringenden Augen zu Rex hinüber. »Das ist es ja gerade. Ich weiß gar nichts. Und als ich letztes Wochenende in Cardinals Folly war, konnten mir auch Richard und Marie Lou nichts über Simon sagen.«
    »Dann fürchtest du, daß Simon, wie er selbst sagen würde, ›in der Patsche‹ sitzt?«
    De Richleau nickte.
    »Um was mag es sich handeln?« überlegte Rex. »Ich kann mir nichts denken, was ihn daran hindern würde, sich an uns zu wenden.«
    »Geld«, meinte der Herzog, »ist ein Thema, über das ein so eigenwilliger, feinfühliger Mensch nicht einmal mit seinen engsten Freunden sprechen möchte.«
    »Das kann es nicht sein. Mein alter Herr hat eine sehr hohe Meinung von Simons Fähigkeiten. Er nimmt einen Großteil unserer Interessen in England wahr. Hätte er sich geschäftlich die Finger verbrannt, dann hätten wir davon erfahren. Mir kommt es eher so vor, als stecke eine Frau dahinter.«
    »Nein.« Ein leicht ironisches Lächeln huschte über de Richleaus Gesicht. »Ein Mann, der liebt, sucht bei seinen Freunden Glückwünsche oder Mitgefühl, je nachdem, wie die Sache läuft. Dieser Grund scheidet auch aus.«
    Eine Weile sahen sich die Freunde schweigend an.
    »Hast du zufällig einmal von einem Mr. Mocata gehört, Rex?« fragte der Herzog plötzlich.
    »Nein. Wer ist das?«
    »Ein neuer Freund von Simon, der seit einiger Zeit bei ihm wohnt.«
    »Was – in seinem
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