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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage
Autoren: Gunnar Kunz
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Es war kein Unfall, sondern Mord.“
    Ludwig sah ihn an mit dem Blick eines Verdammten.
26
    Hendrik massierte seine Beine, die ihm schmerzhaft zu verstehen gaben, dass seine augenblickliche Körperhaltung auf Dauer der Gesundheit nicht förderlich war.
    Draußen trommelte der Regen, der im Laufe des Tages beträchtlich zugenommen hatte, auf Pappe, Blech und Stein. In den Höfen der Mietskasernen türmte sich der Müll, wie überall seit Beginn des Putsches. Es roch penetrant.
    Vorsichtshalber hatten sie sich bereits mit Einbruch der Dunkelheit in die Prinz-Handjery-Straße begeben und in den Kellerräumen Posten bezogen. Aufgrund der Rattenplage waren überall Meerzwiebeln und Phosphorlatwerge ausgelegt; sie mussten höllisch aufpassen, wohin sie traten. Für alle Fälle hielten sich Edgar und drei weitere Polizeibeamte auf dem Hof und in der Nähe der Broscheck’schen Wohnung versteckt, zusätzliche Schutzmänner warteten in der Umgebung des Hauses, um auf ein Signal sofort herbeizueilen.
    Inzwischen war es sicher nach Mitternacht; niemand wusste, wie lange sie noch ausharren mussten. Hendrik wäre an Stelle des Mörders auch erst erschienen, wenn anzunehmen war, dass sich das Haus im Tiefschlaf befand. Mit einem unterdrückten Seufzer verlagerte er sein Gewicht und setzte sich mit der anderen Pobacke auf die viel zu niedrige Kiste. Er fühlte sich immer noch elend wegen des Geschehens am Nachmittag. Wie ihm zu Ohren gekommen war, hatte die Brigade Ehrhardt auch am Bahnhof Tiergarten und am Luisenplatz in Charlottenburg in die Menge geschossen und überall Tote zurückgelassen, blutige Rache für den verlorenen Putsch. Diana schien zu spüren, was ihn bedrückte; sie ergriff im Dunkeln seine Hand. Er empfand ihre Nähe als tröstlich und erwiderte ihren Händedruck. Auch sie konnte etwas Mitgefühl brauchen.
    „Ich wünschte wirklich, ihr beide würdet aufhören, so ein Geheimnis daraus zu machen, und mir verraten, wen ihr im Verdacht habt“, kam Gregors Flüstern aus der Dunkelheit.
    „Ich möchte niemanden beschuldigen, ehe ich nicht einen Beweis habe“, erwiderte Hendrik in verlogenem Tonfall.
    Gregor schnaubte ungehalten.
    „Still, ihr zwei, sonst war alles umsonst!“, rief Diana sie zur Ordnung, worauf sie verstummten.
    Wieder tröpfelte die Zeit dahin. In der Dunkelheit schien sich jede Sekunde auf das doppelte Maß auszudehnen. Es zerrte an Dianas Nerven zu warten, ohne zu wissen, ob sie überhaupt Erfolg haben würden. Wobei sie sich im Grunde ihres Herzens gar keinen Erfolg wünschte. Wäre doch alles nur ein Irrtum! Gäbe es doch nur irgendein Indiz, das sie übersehen hatten, ein Indiz, das alles in ein anderes Licht stellte!
    Die Kälte machte ihr zu schaffen, zudem meldete sich ihr Magen wie immer zu den unpassendsten Gelegenheiten. Zaghaft rückte sie an Hendrik heran und war erleichtert, als er sie nicht zurückwies, sondern einen Arm um sie legte. Sie kuschelte sich unter seinen Mantel und genoss die Wärme seines Körpers.
     
    Eine Berührung ließ sie zusammenfahren. Sie musste eingedöst sein.
    „Sch!“, machte Hendrik.
    Jetzt hörte sie es auch. Verstohlenes Knirschen von Kies. Schritte näherten sich. War ihr Plan aufgegangen? Oder handelte es sich bloß um einen Bettler, der eine Unterkunft suchte? Ihr Herz schlug wie wild, als sie sich tiefer in die Ecke kauerte.
    Auch Hendriks Hände waren feucht. Angestrengt versuchte er, mit seinen Augen die Dunkelheit zu durchdringen. Da – jetzt näherte sich ein schwacher Lichtschein. Der Strahl einer Taschenlampe fiel die Kellerstufen hinab, gefolgt von einem diffusen Schatten.
    Die Gestalt hielt an, schien zu lauschen. Offenbar zufrieden mit dem Ergebnis ließ sie den Schein der Lampe über die Kellertüren wandern, bis dieser auf das Pappschild mit dem hingekritzelten Broscheck fiel. Gregor hatte es bei ihrer Ankunft angebracht, nicht nur, weil vorher nirgends ein Hinweis auf die Besitzer vorhanden gewesen war, sondern auch, weil der wirkliche Keller der Broschecks viel zu nahe an ihrem Versteck lag.
    Der Schatten kramte in seiner Manteltasche und holte etwas hervor. Als er Anstalten machte, einen Gegenstand durch den Holzverschlag zu werfen, schaltete Gregor seine Taschenlampe ein, richtete sie auf die Person und stürzte mit einem „Halt! Kriminalpolizei!“ nach vorn.
    Für eine Schrecksekunde war die Gestalt im Mantel wie gelähmt, dann aber schien sie den Ernst der Lage zu begreifen und wehrte sich wie wild. Gregor wurde die
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