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Dunkle Tage

Dunkle Tage

Titel: Dunkle Tage
Autoren: Gunnar Kunz
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zurückgezogene Vorhang, Fußspuren im Gebüsch, ein falsches Messer …“
    „Darüber war Friedrich übrigens äußerst ungehalten. Er hatte das Messer so schön am Rande des Gartens platziert, und meine Männer haben es übersehen, weil es zu gut versteckt war. Deshalb musste er improvisieren und uns das ‚Beweisstück‘ zusenden.“
    „Wo eine falsche Spur ist, können auch weitere sein. Mir kam der Gedanke, dass der späte Besucher, auf den wir einen wesentlichen Teil unserer Nachforschungen konzentrierten, ebenfalls eine bewusste Irreführung war.“ Hendrik konnte sich nicht zurückhalten, einen kleinen Hieb auszuteilen. „Diese Erkenntnis habe ich übrigens einem Fachmann meiner Branche zu verdanken.“
    Gregor verdrehte die Augen.
    „Aristoteles systematisiert die Beobachtungen bei Veränderungen, das Werdende, wie er es nennt, indem er empfiehlt, vier Fragen zu stellen: Was hat sich verändert, wer hat die Veränderung ausgelöst, mit welchem Ergebnis und mit welchem Ziel? Interessant finde ich, dass er zwischen Ziel und Ergebnis differenziert.“
    „Weil das erwünschte und das erzielte Ergebnis nicht notwendigerweise dasselbe sein muss“, begriff Diana.
    „Ja. Wir haben von Beginn an darüber gerätselt, weshalb der Täter den Kalender umgeblättert hat, und vermuteten, dass er sich davon überzeugen wollte, dass sein Name nirgends auftauchte. In Wahrheit verhielt es sich genau umgekehrt: Friedrich hat einen glaubwürdigen Namen gesucht, den er eintragen konnte, und ist beim Zurückblättern auf Thor gestoßen, ein Name, der schon deshalb unseren Verdacht erregen musste, weil es sich um eine Tarnbezeichnung handelte. Als mir dieser Zusammenhang klar wurde, begriff ich auch, warum gerade diese falsche Spur so wichtig war.“
    „Das ganze Haus wusste, dass Friedrich spät abends noch ein Gespräch mit Onkel Max hatte“, nickte Diana. „Auf ihn wäre immer der erste Verdacht gefallen. Also hat er versucht, uns zu suggerieren, dass er nicht der Letzte war, der Onkel Max lebend gesehen hat.“
    „Das ist ihm ja auch eine ganze Weile gelungen“, gab Gregor zu. „Er hat übrigens ein volles Geständnis abgelegt. Sein Bruder hatte ihm an jenem Abend übel zugesetzt – ich nehme an, nach dem unerfreulichen Gespräch mit Hermann wird Max gereizt gewesen sein – und ihn dadurch zum Äußersten getrieben. Friedrich hatte zehntausend Mark aus der Kasse gestohlen. Max wollte ihm den Geldhahn zudrehen, hat ihm gedroht und von ihm verlangt, ein Geständnis über den Diebstahl aufzusetzen, das ihn den Rest seines Lebens von seinem Bruder abhängig gemacht hätte.“
    „Er war ein abscheulicher Mensch.“ Dianas Stimme verriet nun doch Mitgefühl mit ihrem Lieblingsonkel.
    „Nach dem Gespräch ist Friedrich mit Mordgelüsten umhergeirrt, aber erst als er Frau Broscheck beim Fortwerfen des Messers beobachtete, wurde eine konkrete Absicht daraus. Er ermordete seinen Bruder mit einem gleichartigen Messer aus der Küche, für das er am nächsten Tag Ersatz besorgte, so dass dem Dienstmädchen nichts auffallen konnte, legte eilig ein paar falsche Spuren und warf Messer und Kleidung in den Königssee – deshalb der Dreck an den Schuhen.“
    Es klingelte.
    Joseph stand vor der Tür und brachte Dianas Koffer. Mit ihm erschien Hermann Unger. Hendrik hatte gehört, dass er bereits dabei war, seine Fühler nach der Stahlindustrie in Oberschlesien und dem Ruhrgebiet auszustrecken. Der Industrielle verlor keine Zeit, das Unger’sche Unternehmen zu dem Konzern zu machen, der ihm schon immer vorschwebte.
    Hermann sah sich in der Wohnung um, als betrachte er eine besonders eklige Schabenzucht. „Hier ziehst du also ein.“
    Diana wechselte einen Blick mit Hendrik und unterdrückte nur mit Mühe ein Lachen. Früher wäre sie vermutlich in die Luft gegangen. „Ja“, sagte sie, „hier ziehe ich ein!“ Sie drehte sich einmal um sich selbst und machte sich daran, einen Koffer auszupacken. Where’s that Tiger? Hold that Tiger! , trällerte sie und kickte ein Bein in die Luft.
    Ihre unentschuldbare Lebensfreude war Hermann Unger eindeutig ein Dorn im Auge. „Und Sie?“, wandte er sich an Hendrik. „Sollten nicht zumindest Sie genug Verantwortungsbewusstsein besitzen, um meiner Nichte klarzumachen, was sich schickt, wenn ihr schon jedes Gefühl für Anstand abgeht?“
    Gregor unterbrach den sich anbahnenden Streit. „Was führt Sie her?“
    „Ich hatte eine Belohnung für die Aufklärung des Mordes ausgesetzt, die
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