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Dunkle Schatten (German Edition)

Dunkle Schatten (German Edition)

Titel: Dunkle Schatten (German Edition)
Autoren: Günther Zäuner
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dieses verdammte
Abszess ausbreiten. Eigentlich hat er heute nichts Besonderes mehr vor, doch
den halben Tag untätig im Krankenhaus zu vertrödeln, ist nicht aufbauend. Zu
seinem Hausarzt wollte er nicht gehen, da sich dort egal zu welcher Ordinationszeit
stets die Patienten im Wartezimmer stapeln. Zum wiederholten Male greift er zu
einem der abgegriffenen, zerfledderten Uraltmagazine, die pro Seite mehr Keime
und Bakterien beherbergen als jedes Versuchslabor.
    Zum Glück erfreut sich Kokoschansky trotz seines fortgeschrittenen Alters
bester Gesundheit. Wäre nur jetzt nicht das im Schambereich aufgetretene
Furunkel! Er blickt sich gelangweilt um, er hat keinen Grund zur Klage, wenn er
sich ein paar Männer seiner Altersklasse ansieht. Das Vibrieren seines Handys
reißt ihn aus seinen Gedanken.
    »Ja? … Leider bin ich noch zum Warten verdonnert … Ehrlich? … Mach Witze!
… Du, ich muss Schluss machen … Jetzt bin ich endlich aufgerufen worden. Bis
heute Abend! Bussi!«
    Ein breites Grinsen macht sich im Gesicht des Zwei-Meter-Mannes breit.
Eine Polizistin als Lebensgefährtin hat schon seine Vorteile. Nie im Leben
hätte der Journalist gedacht, dass er sich einmal über ein lästiges Abszess
freuen würde.
    »Guten Tag. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    Super! Es ist nicht das erste Mal, dass er mit diesem Problem von einer
Frau behandelt wird. Trotzdem ist es ihm unangenehm, und inzwischen versteht
er, wie eine Frau sich fühlt, wenn sie den Gynäkologen aufsucht. In knappen
Sätzen schildert Kokoschansky die Situation, erzählt, dass er damit schon
mehrmals konfrontiert war. Darin hat er längst Routine. Inzwischen sieht er in
diesem Bereich wie ein Schnittmuster von Burda aus, doch seine Lena
findet die Narben sexy.
    »Dann mal runter mit der Hose!« Die Ärztin streift sich Handschuhe über.
»Legen Sie sich auf den Behandlungstisch.«
    Kokoschansky öffnet seine Jeans, schiebt sie zusammen mit der Unterhose
runter und macht es sich auf der harten Liege halbwegs bequem. Die Ärztin
betastet seinen Schambereich, und jedes Mal kommen ihm dämliche Ärztewitze in
den Sinn, wenn eine Frau daran herumdoktert. Absoluter Schwachsinn, von
irgendwelchen Gefühlen keinerlei Spur.
    »Das lässt sich ambulant behandeln.«
    Genau das wollte Kokoschansky hören. Er hatte nicht vor, sich stationär
aufnehmen zu lassen.
    »Ich werde es aufschneiden müssen, und das wird trotz Betäubungsspritze
etwas schmerzhaft werden.«
    »Ein bisschen halte ich schon etwas aus«, lächelt der Journalist.
    »Zuerst werde ich die wunde Stelle vereisen, danach kommt noch die
Spritze.«
    »Hoffentlich nicht Propofol. Daran soll ja Michael Jackson draufgegangen
sein.«
    »Keine Sorge, ich versetze Sie ja nicht in Vollnarkose.«
    Zugegeben, der Witz war nicht besonders, aber Frau Doktor scheint in den
Keller lachen zu gehen. Dabei ist sie eine sehr hübsche junge Frau, und ein
kleines Geplänkel schadet nicht. Aber bei ihr zieht das nicht.
    »Danach verschreibe ich Ihnen ein Antibiotikum und eine spezielle Salbe.
In den nächsten Tagen müssen Sie beim Duschen aufpassen.«
    Ich werde alt, denkt Kokoschansky. Noch vor einem Jahr sagte ihm eine
andere Ärztin, in den kommenden Tagen keinen Geschlechtsverkehr und erst danach
kam das Duschen. C’est la vie . Hauptsache, er bringt es schnell hinter
sich, um rasch wieder abzuhauen. Viel zu sehr beschäftigt ihn die Information, die
ihm Lena vorhin zukommen ließ. Das ist der absolute Hammer! Er zuckt leicht
zusammen, als der Strahl des Vereisungssprays die lädierte Stelle trifft, und
nach ein paar Sekunden spürt er bereits ein taubes Gefühl. Kokoschansky glotzt
auf den Plafond und denkt über die brisante Nachricht nach. Das wird und kann
er sich nicht entgehen lassen, doch noch muss er sich gedulden. Der Stich der
Nadel von der Betäubungsspritze in das Abszess ist um ein Vielfaches
unangenehmer als der Spray, und er beißt die Zähne zusammen. Inzwischen ist
auch eine Krankenschwester hinzugekommen, um zu assistieren.
    »Nur ein kleiner Schnitt«, sagt die Ärztin beruhigend, »aber wie ich
sehe, haben Sie schon einiges diesbezüglich hinter sich, Herr Kokoschansky.«
    »Ja, das kann man wohl sagen. Ich hoffe, dass ich wieder längere Zeit
Ruhe habe.«
    Trotz der lokalen Betäubung spürt Kokoschansky genau, wie die scharfe
Klinge in das Fleisch schneidet, doch er lässt sich nichts anmerken, ballt nur
die Fäuste. Ein Schwall Blut, gemischt mit Eiter, rinnt über seinen Schenkel
und unter
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