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Dunkle Schatten (German Edition)

Dunkle Schatten (German Edition)

Titel: Dunkle Schatten (German Edition)
Autoren: Günther Zäuner
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wurde generalstabsmäßig vorbereitet. Inzwischen
haben seine Komplizen sich verwandelt. Unter den weißen Ärztekitteln kommen
seriöse dunkle Anzüge, blütenweiße Hemden und schwarze Krawatten zum Vorschein.
Jeder würde sie für etwas grobschlächtige Bestatter halten. Nur ihre
Latexhandschuhe behalten sie an. Schließlich wollen sie keine unbeabsichtigten
Spuren hinterlassen. Einer betätigt das Rolltor, und ein Leichenwagen fährt
rückwärts mit geöffneter Heckklappe herein, der von einem dritten Mann,
ebenfalls in seriöses Schwarz gekleidet, gesteuert wird. Saller legt sich in den
Sarg. Die Ärztekittel verschwinden im Auto. Die Krankenschwester bleibt mit
Kiefer- und Schädelbasisbruch liegen. Im angemessenen Tempo fährt das Quartett
davon. Wer käme schon auf die Idee, einen Leichenwagen, der ein Krankenhaus
verlässt, zu kontrollieren?

 
    *

 
    Kokoschansky verdrückt sich hinter einem Pfeiler im Foyer des SMZ Ost,
während die ersten Polizisten und Kriminalbeamten den Komplex betreten. Der
Nachteil eines Riesen: Unauffällig abzutauchen, ist nicht immer möglich. Seine
kleine Operationswunde macht sich immer heftiger bemerkbar. Ziemlich paradox,
ein riesiges Spital zu bauen, doch bei der Planung auf die hauseigene Apotheke
zu vergessen. So kann der Journalist nur am Nachhauseweg sein Rezept einlösen
und sich auch gleich ein paar Schmerztabletten kaufen.
    Jetzt möchte ich nicht in der Haut einiger Verantwortlicher stecken, die
Sallers Flucht so leicht ermöglichten, denkt Kokoschansky. Das wird für einen
heftigen Medienwirbel sorgen, und die Buhmänner werden Polizei und
Innenministerium sein.
    »He, Koko, altes Haus! Schon ewig nicht mehr gesehen!«
    Koko ist Kokoschanskys Spitzname, und der Mann, der ihn so freudig
begrüßt, sitzt hinter dem Lenkrad eines wartenden Taxis auf dem Standplatz vor
dem SMZ Ost.
    Moses Querantino stammt aus Nigeria, lebt seit vielen Jahren mit seiner
Familie, inzwischen längst eingebürgert, in Wien. In seiner Heimat war er ein
erfolgreicher Journalist, der in seinen Artikeln vehement gegen die Ölmultis,
die sein Land zerstören und ausbeuten, anschrieb. Dafür setzte ihn das Regime
unter Druck, er war im Gefängnis, musste mit seiner Familie Repressalien
erdulden. Die Flucht gelang, und Österreich gewährte Asyl.
    Tief in seinem Inneren fühlt er sich immer noch seinem ehemaligen Beruf
verbunden, findet jedoch keine Möglichkeit, in diesem Land wieder Fuß zu
fassen. Mit Kokoschansky verbindet ihn eine tiefe Freundschaft, weil er seinem
weißen Kumpel in einer gefährlichen Geschichte helfen und Schlimmeres verhüten
konnte. Da hatte Querantino endgültig wieder Blut geleckt.
    »Mann, gibt es einen plausiblen Grund, warum wir uns immer vor einem
Krankenhaus treffen?«, scherzt der Schwarzafrikaner mit den schulterlangen
Rastazöpfen, in die bunte Holzperlen eingeflochten sind, in Anspielung auf
gemeinsame Erinnerungen.
    »Hallo, Freitag«, begrüßt Kokoschansky die Frohnatur und steigt ächzend
in das Auto. Querantino hat sich seinen Spitznamen, frei nach Robinson Crusoe
von Daniel Defoe, selbst gewählt, da er die Ansicht vertritt, Weißgesichter
können oder wollen sich seinen Namen ja doch nicht merken. »Schon ein Weilchen
her, dass wir uns gesehen haben. Und wie läuft es?«
    »Na ja«, seufzt Freitag, »die Spritpreise fressen mich auf, und die Leute
drehen jeden Cent zweimal um, bevor sie sich ins Taxi setzen. Und bei dir?«
    »Danke, bin zufrieden.«
    »Fein! Hast du jemanden besucht? Oder selbst einen Doc gebraucht? Oder …«
Freitags Gesicht nimmt einen pfiffigen Ausdruck an, und er lässt seine
pechschwarzen Augen rollen. »Bist du wegen dem Auflauf hier?« Dabei zeigt er
auf die immer zahlreicher eintreffenden Polizeimannschaften. Das gesamte Areal
soll durchkämmt und durchsucht werden. »Bist du wieder einmal der Konkurrenz um
die berühmte Nasenlänge voraus?«
    Wie üblich plärrt aus den Lautsprechern in Freitags Taxi Reggaemusik.
Kokoschansky dreht ein wenig leiser. Dann erzählt er von seinem kleinen
gesundheitlichen Problem.
    »Hm, blöde Stelle«, grinst Freitag, »deine Lena wird damit keine Freude
haben.«
    »Alles noch dran und funktionstüchtig.«
    »Dann bin ich beruhigt. Ehrlich, weißt du, weshalb hier so viele Bullen
herumschwirren?«
    »Was sagt dir der Name Saller?«
    »Tja«, Freitag spielt mit seinen Rastalocken, »Saller … Saller … Meinst
du den ehemaligen Unterweltboss, der im Frühjahr mit seinen Leuten
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