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Dunkle Schatten (German Edition)

Dunkle Schatten (German Edition)

Titel: Dunkle Schatten (German Edition)
Autoren: Günther Zäuner
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sich öffnet und die
Krankenschwester herauskommt, dicht gefolgt von einem der beiden falschen
Ärzte, der sie sichtlich mit einer Waffe, die er unter dem Kittel versteckt
hält, bedroht. Dahinter schiebt der zweite Unechte den Rollstuhl mit dem
Pseudokranken aus dem Zimmer.
    Mit Sicherheit liegt der Polizist niedergeschlagen, mit seinen eigenen
Handschellen ans Bett gefesselt im Zimmer, und die Gangster sind nun im Besitz
seiner Dienstpistole. Zweifelsfrei läuft hier am helllichten Tag unter den
Augen zahlreicher Patienten und Besucher eine Gefangenenbefreiung ab. Die
Krankenschwester bemüht sich, ruhig zu bleiben, dennoch ist ihrem Gesicht
anzusehen, dass sie Todesängste aussteht. Nur Kokoschansky und einer Kollegin
bleibt es nicht verborgen.
    »Was ist los, Martina?«
    Doch die Geisel winkt nur mit einem gezwungenen Lächeln ab, wie auch die
beiden falschen Mediziner mit Gesten andeuten, alles wäre in Ordnung, um nur
umso zielstrebiger mit ihrem falschen Patienten in Richtung der Lifte
zuzusteuern.
    Der Simulant in seinem Rollstuhl hält den Kopf gesenkt und hat sich mit
einem Kopfverband getarnt. Über seinen Beinen liegt eine Decke, und
Kokoschansky ist überzeugt, dass darunter eine Waffe verborgen ist. Als der
Rollstuhl sich für einen Moment mit Kokoschansky auf gleicher Höhe befindet,
hebt der kerngesunde Mann für einen Augenblick seinen Kopf und ihre Blicke
kreuzen sich. Beide lassen sich nichts anmerken.
    Gleichzeitig ist Kokoschansky einem fürchterlichen Gewissenskonflikt
ausgesetzt. Schließlich ist er unmittelbarer Tatzeuge einer offensichtlichen
Straftat, unternimmt nichts dagegen, lässt als stiller Beobachter den Dingen
ihren Lauf. Das hat nichts mit Zivilcourage und noch weniger mit Feigheit zu
tun. Wenn er den Helden spielt, gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit ein
Blutbad, und zuerst stirbt wahrscheinlich die Krankenschwes-ter.
    Hier sind Profis aus der Unterwelt am Werk, die rücksichtslos über Leichen
gehen und sich im Ernstfall gnadenlos den Weg freischießen. Ja, beruhigt sich
Kokoschansky selbst, ja, er kann es verantworten, indem er tatenlos zusieht,
wie Robert Saller freikommt.
    Als Kokoschansky von dem schweren Schlag gegen die Wiener Unterwelt, die
schon lange nicht mehr in heimischen Händen ist, aus der Zeitung erfuhr, wollte
er aus Loyalität Saller in der Zelle besuchen. Immerhin hatte der sich
gegenüber dem Journalisten stets fair verhalten, niemals den leisesten Versuch
unternommen, ihn zu kaufen oder zu bestechen. Das rechnet Kokoschansky ihm hoch
an. Sallers Plus ist seine Intelligenz, die ihn deutlich von anderen
Unterweltgrößen, besonders den österreichischen, unterscheidet.
    Deshalb verstört seine Flucht, deutet sie doch eher auf das Gegenteil
hin, aber Saller wird seine Gründe haben. Die Flucht würde ihm noch ein paar
zusätzliche Jahre mehr hinter Gittern bringen, falls er erwischt wird. Wenn
Saller solch ein Risiko eingeht, muss einiges im Hintergrund laufen, wovon
derzeit noch niemand Ahnung hat.
    Die misstrauische Krankenschwester kennt hingegen keine Bedenken.
Kurzerhand alarmiert sie den hausinternen Sicherheitsdienst. Doch die
herbeigeeilte Security kommt zu spät und sieht das Quartett nur mehr in einem
der Krankentransportlifte verschwinden. Hektisch spricht einer der
Sicherheitsleute in sein Funkgerät. Kokoschansky beschließt zu verschwinden. In
wenigen Minuten wird der Teufel los sein, der Gebäudekomplex von Polizei
wimmeln, und für ihn ist es besser, sich in diesem Zusammenhang nicht blicken
zu lassen. Er drückt einer älteren, verdutzten Patientin seinen Blumenstrauß in
die Hand, wünscht baldige Besserung und macht sich aus dem Staub.

 
    *

 
    Langsam schiebt die Lifttüre sich auseinander, einer von Sallers
Komplizen lugt vorsichtig heraus und hält seinen Revolver offen im Anschlag.
Robert Saller springt vom Rollstuhl auf, zieht sich eine Kanüle aus einer Vene
in seinem linken Unterarm, wirft sie achtlos weg und reißt sich den falschen
Verband vom Kopf.
    In diesem Raum ist es sehr kühl, und es ist nicht damit zu rechnen, dass
hier Gefahren lauern. Eine Reihe verstorbener Patienten, in schwarze
Leichensäcke gepackt, liegen auf Bahren in dem Kühlkeller. Vor Angst
schlotternd, bangt die Krankenschwester ihrem weiteren Schicksal entgegen. Saller
gibt einem seiner Fluchthelfer einen knappen Befehl, der sofort ausgeführt
wird. Ein knallharter Faustschlag mitten ins Gesicht setzt die junge Frau außer
Gefecht.
    Robert Sallers Flucht
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