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Dunkle Schatten (German Edition)

Dunkle Schatten (German Edition)

Titel: Dunkle Schatten (German Edition)
Autoren: Günther Zäuner
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unsere Leute für eine geheime Krisensitzung zusammen.«
    »Wo?«
    »Das erfährst du rechtzeitig per SMS. Und benutze dein sicheres
Wertkartenhandy, jenes für Krisenfälle.«
    »Klar, mache ich.«
    »Wir warten, bis du zurück bist. Danach gehe ich für unbestimmte Zeit auf
Tauchstation.«
    »Und ich«, brüllt Midas in Richtung Webcam, »kann wohl endgültig
abdanken! Die Hexenjagd der letzten Monate reicht mir! Graciella hat deswegen
wieder mit dem Saufen begonnen. Mein Soll an Problemen ist erreicht. Mir ist
das alles viel zu heiß geworden, ich steige aus!«
    »Tja, mein Junge, dafür ist es jetzt zu spät. Das hättest du dir früher
überlegen sollen. Du sitzt mit uns in einem Boot. Entweder wir erreichen die
Küste oder gehen gemeinsam unter, kapiert?«
    Die Verbindung bricht ab. Midas’ Blick schweift hinunter zum Strand, wo
seine Frau Graciella oben ohne unter einem riesigen Sonnenschirm liegt, neben
sich eine halb volle Flasche Roederer Crystal. Mein Gott, denkt Midas, ihre
Titten werden von Tag zu Tag vertrockneter. Vielleicht ist das wirklich der
bessere Weg, die Probleme einfach zu ertränken? Und der, der diese Scheiße
ausgeheckt, eingefädelt und eingebrockt hat, ist längst zu Staub zerfallen. Den
kann kein irdisches Gericht mehr zur Verantwortung ziehen.

 
    *

 
    Mehrere tausend Kilometer von diesem paradiesischen Ort entfernt, nimmt
ein übermüdeter, aber sichtlich zufriedener Beamter im BKA Wien seine Kopfhörer
ab, reibt sich zuerst die Augen, dann die Ohren und murmelt vor sich hin:
»Meine Herren, bald seid ihr geliefert. Noch seid ihr Arschlöcher uns einige
Schritte voraus, aber die Entfernung verringert sich zusehends.«

 
    *

 
    Bezirksinspektorin Lena Fautner muss beim Kommandanten in ihrer
Dienststelle antreten. Sie kann sich keinen Reim darauf machen, was ihr
unmittelbarer Chef von ihr will. Für heute ist ihr Dienst beendet. Eigentlich
will sie zu ihrem Spind im Umkleideraum, rasch ihre private Kleidung anziehen
und nur noch nach Hause, obwohl es, bis auf Sallers spektakuläre Flucht, kein
besonders aufregender oder gar gefährlicher Tagdienst war.

 
    Entschlossen, wie es ihrer Wesensart entspricht, klopft Lena Fautner an.
    »Komm rein, Kollegin, setz dich«, begrüßt Clemens Joller sie ernst. »Wir
haben ein Problem, schätze ich.«
    »Okay«, fällt es Lena augenblicklich ein, sie hebt beschwichtigend die
Arme und zeigt dabei die Handflächen, »wenn es sein muss, dann mache ich den
Akt noch fertig.«
    »Vergiss es. Bei unserem Papierkram macht der auch nicht mehr das Kraut
fett. Das ist der Anlass.«
    Er schiebt ihr ein Phantombild über den Tisch zu, und die Bezirksinspektorin
muss erst einmal kräftig schlucken. Zweifelsfrei zeigt es das Gesicht ihres
Kokos.
    Seit einigen Jahren lebt Lena mit Kokoschansky zusammen. Sie hatten sich
in schweren Zeiten kennen gelernt, waren jeder für sich in einer Lebenskrise,
gaben sich, obwohl es ursprünglich, besonders von seiner Seite, sehr konträr
war, gegenseitig Halt und zogen sich aneinandergeklammert aus einem imaginären
Sumpf. Das verbindet, schweißt zusammen und hält auch ohne Trauschein. Von
Lenas Seite war es von Beginn an Zuneigung, aus der rasch Liebe wurde, und die
Suche nach der sprichwörtlichen starken Schulter, jedoch niemals die Sehnsucht
nach einem Vaterersatz.
    Kokoschansky brauchte länger, er war nach zwei gescheiterten Ehen und
einem gemeinsamen Sohn mit der zweiten Frau, den er abgöttisch liebt, ein
gebranntes Kind. Erst im dritten Anlauf schaffte der Mittfünfziger es, endlich
seinen Hafen zu finden. Er hat sich geschworen, seit Lena an seiner Seite ist,
künftig kürzerzutreten, nicht mehr Hansdampf in allen Gassen sein zu wollen,
sich nicht mehr ungewollt Gefahren und nicht einzuschätzenden Risiken
auszusetzen, die auch auf seine Angehörigen übergreifen, doch es blieb nur bei
dem frommen Schwur. Einmal Journalist, immer Journalist. Lena ist die erste
Frau in seinem Leben, die seinen Job versteht und nachvollziehen kann, wenn er
sich in eine Story verbeißt, stur und gegen alle Widerstände seinen Weg zu
gehen bereit ist, selbst wenn er mehr als einmal über Prügel, die ihm zwischen
die Beine geworfen werden, stolpert, wieder aufsteht und nicht im Traum daran
denkt, sich in die Knie zwingen zu lassen oder gar aufzugeben. Lenas Beruf ist
seinem in vielen Belangen sehr ähnlich.
    Sie unterstützt ihn, wo immer es ihr möglich ist, baut ihn auf, wenn er,
selten aber doch, an sich selbst zu
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