Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
nur den Strom brodelnder Lebensenergie, den Jan an sich riß. Es war nicht nur die Kraft des Vampirs selbst. Es war die gestohlene Lebensenergie Hunderter, vielleicht Tausender von Menschen, welche die Bestie während ihrer jahrhundertelangen Existenzgetötet hatte. Etwas von jeder verlorenen Seele, die ihm zum Opfer gefallen war. Es waren viele. So unendlich viele. Aber schließlich war es vorbei, und der Vampir starb.
    Nach allem war sein eigentlicher Tod seltsam undramatisch. Der Vampir schloß einfach das Auge und hörte auf zu atmen. Auf Jan lag nur noch eine tote Last.
    Ächzend rollte er den toten Vampir von sich herunter, kroch hastig ein Stück zur Seite und sprang in die Höhe, ehe er es wagte, sich wieder umzudrehen. Er wußte selbst nicht genau, was er erwartet hatte, aber es geschah gar nichts. Vlad löste sich weder in Rauch und Flammen auf, noch tat sich die Erde unter ihm auf, um ihn zu verschlingen. Er verwandelte sich auch nicht zurück in seine menschliche Gestalt, sondern blieb einfach, was er vielleicht schon immer gewesen war: Ein großes, häßliches und ziemlich bizarres Ding .
    »Was für ein Kampf«, sagte Vera hinter ihm. Jan drehte sich um und sah sie keine zwei Meter neben der Nische stehen, in die sich Katrin verkrochen hatte. »Ich habe schon viele gesehen, aber die wenigsten waren so gut – vor allem für einen Anfänger.« Sie nickte anerkennend. »Wir werden eine interessante Zeit zusammen haben, glaube ich.«
    Jan sah flüchtig zu Katrin hin. Sie hatte sich zu einem Ball zusammengerollt, die linke Hand zur Faust geballt und die Zähne hineingegraben; so tief, daß ein dünnes Rinnsal Blut an ihrem Handgelenk herunterlief, ohne daß sie es auch nur wahrgenommen hatte. In ihrem Blick flackerte der beginnende Wahnsinn.
    Jan riß seinen Blick fast gewaltsam von ihr los und sah wieder zu dem toten Vampir hin. »Eine interessante Zeit«, murmelte er. »So wie mit ihm?«
    Vera machte sich nicht einmal die Mühe, aus Anstand zu leugnen. »Er war ganz amüsant«, sagte sie achselzuckend. »Für eine Weile.«
    Ihre Worte erfüllten Jan mit einer Mischung aus ohnmächtiger Wut und Resignation. Statt jedoch zu antworten, zog er die Kamera aus der Jackentasche und schaltete sie ein. Er suchte das letzte Bild, das er gemacht hatte, nach seinem Kampf mit Vlad in der Halle. Das Gesicht, das ihm aus dem winzigen Monitor entgegenstarrte, war sein eigenes, erschöpft, ausgezehrt und grau vor Schrecken, nur, daß er jetzt mit eigenen Augen sah , was Katrin so abgrundtief erschreckt hatte: Er hatte jetzt die gleichen fahlen Augen wie Vera und die anderen. Der Anblick erschreckte Jan nicht. Er hatte gewußt, was er sehen würde – nicht geahnt oder gefürchtet, er hatte es gewußt . Und trotzdem hatte es dieses sichtbaren Beweises einfach bedurft, damit er bereit war, es auch vor sich selbst zuzugeben.
    »Dieses Spielzeug brauchst du jetzt aber wirklich nicht mehr«, sagte Vera spöttisch.
    Jan ließ die Fotos zurücklaufen, bis er die Aufnahme erreichte, die Krieger in seiner Wohnung zeigte; und hinter ihm eine schemenhafte, aber nichtsdestotrotz deutlich erkennbare Vera. Wortlos reichte er ihr die Kamera.
    Vera warf einen flüchtigen Blick darauf, zuckte mit den Schultern und schloß die Hand um die Kamera. Sie zerbarst. »Ich habe immer gesagt, ich bin nicht besonders fotogen«, sagte sie, während sie die Plastik- und Metallteile achtlos fallen ließ. »Ich sollte anfangen, auf meine eigenen Ratschläge zu hören.«
    »Du warst die ganze Zeit über da, habe ich recht?« fragte Jan. »Nicht nur, während er Krieger getötet hat. Auch vorher. Ununterbrochen.«
    »Du hättest nicht einen Tag überlebt ohne mich«, sagte Vera lächelnd. »Und jetzt hör auf, so viel zu reden. Komm lieber her und hol dir deine Belohnung ab.«
    Sie begann langsam ihre Bluse aufzuknöpfen, und Jan mußte zu seinem grenzenlosen Entsetzen feststellen, daß ihn schon diese kleine Bewegung wieder in sexuelle Erregung versetzte.Er ekelte sich vor sich selbst. Das war … pervers. Durch und durch abartig. Und er war vollkommen hilflos dagegen. Nur mit äußerster Kraft gelang es ihm, wenigstens stehenzubleiben, wo er war, und sich nicht sofort auf sie zu stürzen, um sie auf der Stelle zu nehmen.
    »Du bist langweilig.« Vera zog einen Schmollmund, drehte sich zur Seite und streckte den Daumen der linken Hand in den Mund. »Ich will jetzt spielen«, sagte sie mit komisch verstellter Kleinmädchenstimme. Jan hatte niemals
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher