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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gerissen worden war und noch Mühe hatte, sich in der Wirklichkeit zurechtzufinden. Dann klärte sich ihr Blick, und sie erkannte ihn.
    Nicht einmal in Vlads Augen vorhin hatte er ein so abgrundtiefes Entsetzen gesehen wie jetzt in denen Katrins. Und er wußte auch, warum.
    Er wußte, was sie sah.
    »Nicht jetzt«, sagte er rasch. »Vielleicht … kann ich dir alles erklären, aber jetzt habe ich noch etwas zu erledigen.«
    Er lächelte Katrin zu – er versuchte es. Aber er wußte nichteinmal, ob er wirklich noch in der Lage war, zu lächeln – richtete sich auf und drehte sich zu Vlad um.
    Der Vampir hatte die Zeit genutzt, um sich weiter zu erholen und seine Kräfte zu regenerieren. Sein Gesicht war noch immer grau, aber das Lodern in seinen Augen war nun wieder mörderische Wut. Selbst wenn er diesen Kampf nicht gewann, dachte Jan, hatte er dem Vampir doch seine Grenzen aufgezeigt. Vlad hatte gelernt, daß auch er nicht unbesiegbar war.
    »Das war beeindruckend«, sagte Vlad, während er spöttisch in die Hände klatschte. »Zugegeben, nicht besonders klug, aber sehr edelmütig. Richtig rührend.«
    Er klatschte erneut in die Hände. Der Laut brach sich dutzendfach an der gewölbten Decke und kehrte als verzerrtes Echo zurück, und Jan starrte Nosferatus Hände einen Moment lang fast entsetzt an. Es waren keine menschlichen Hände mehr. Sie hatten sich verändert, und sie veränderten sich immer noch weiter: Die Finger waren kräftiger geworden und hatten sich gleichzeitig auf fast das Doppelte ihrer normalen Länge gestreckt. Die Nägel waren zu mörderischen Krallen geworden, jede einzelne so scharf und tödlich wie eine Messerklinge, und die Handrücken waren jetzt mit grauem, drahtig-kurzem Fell bedeckt. Und die furchtbare Veränderung beschränkte sich keineswegs nur auf Vlads Hände: Seine gesamte Gestalt schien sich zu dehnen und zu recken, begann auf eine kaum in Worte zu fassende Weise zu … zerfließen und sich neu zu formen, wobei sie gleichzeitig an Massigkeit gewann.
    Jan wußte nicht, was am Ende dieser fürchterlichen Transformation stehen würde, aber eines wußte er mit hundertprozentiger Sicherheit: Daß er gegen das Geschöpf, dem er gegenüberstand, nicht die Spur einer Chance hatte.
    Er rannte los und stürzte sich mit einem gellenden Schrei auf Vlad.
    Der Angriff war unkoordiniert und hastig, so daß es demVampir keine große Mühe bereitete, ihm auszuweichen und Jan noch dazu die Faust in den Nacken zu schlagen, als er an ihm vorüberstolperte. Immerhin gelang es Jan, Vlad aus dem Gleichgewicht zu bringen, so daß sie beide stürzten.
    Sie kamen auch nahezu gleichzeitig wieder auf die Füße. Jan griff sofort wieder an. Die Zeit des Abtastens und gegenseitigen Kräftemessens war vorbei. Sie würden die Sache hier und jetzt zu Ende bringen. Vlad versuchte seinem Angriff auf die gleiche Weise zu begegnen wie das erste Mal, nämlich indem er sich im letzten Moment zur Seite drehte und ihn an sich vorbeistürmen ließ, aber diesmal war Jan darauf vorbereitet. Er schwenkte in der letzten Sekunde herum, täuschte einen Angriff gegen Vlads Kopf vor und traf dann zweimal hintereinander und sehr hart sein Lieblingsziel: Vlads verwundeten Oberschenkel. Der Vampir kreischte vor Schmerz, aber er fiel nicht. Jan setzte ihm nach, landete einen Fußtritt in Vlads Magen und riß das Knie in die Höhe, als Vlad sich krümmte. Der Kopf des Vampirs wurde zurückgerissen; er stolperte nach hinten, prallte gegen die Wand und brach benommen in die Knie. Jan setzte ihm abermals nach, riß ihn in die Höhe und schleuderte ihn quer durch den Raum. Vlad prallte mit einem dumpfen Laut gegen die Wand, sackte daran hinunter und blieb reglos liegen.
    Zu leicht. Es war viel zu leicht. Selbst wenn Jan unterstellte, daß er über die gleichen übermenschlichen Fähigkeiten verfügte wie Vlad, hätte er ihn niemals so leicht besiegen dürfen. Der Vampir war Jahrhunderte alt. Er hatte jahrhundertelang Zeit gehabt, das Kämpfen zu lernen. Es war einfach unmöglich, daß er ihn so leicht besiegte. Vlad hatte sich bisher praktisch nicht gewehrt. Er hatte … es gar nicht gekonnt.
    Weil er jedes bißchen Kraft für etwas anderes gebraucht hatte …
    Das formlose Bündel, zu dem der Vampir zusammengesunkenwar, begann sich zu regen. Etwas raschelte; ein Laut, wie nasses, schweres Leder, das über Stein geschleift wurde, dann hob die Kreatur langsam den Kopf, stemmte die Krallen in den Boden und richtete sich fast behäbig zu
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