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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zurückkommen, und noch einmal würde er ihn nicht aufhalten können.
    In Katrins Augen flackerte die nackte Panik, als er auf sie zutrat. Sie stieß einen kleinen, spitzen Schrei aus, kroch so weit von ihm fort, wie sie es in der schmalen Nische konnte, und zog wimmernd vor Furcht die Knie an den Körper.
    »Hab keine Angst», sagte er. Selbst in seinen Ohren klangen die Worte einfach nur lächerlich. Wie sollte sie keine Angst haben, bei dem, was sie gerade mit angesehen hatte!
    »Nein!« wimmerte sie. »Nicht! Komm … mir nicht zu nahe!«
    Jan blieb stehen. Er fühlte sich hilflos, und die lodernde Furcht, die er in Katrins Augen las, tat weh . Aber sie hatten so entsetzlich wenig Zeit!
    »Hör mir zu, Katrin«, sagte er hastig. »Hör mir einfach zu! Wir haben keine Zeit. Er wird zurückkommen, und ich weiß nicht, wie lange ich ihn aufhalten kann. Du mußt schnellstens verschwinden!«
    Katrin schien seine Worte nicht einmal zu hören. »Was … was war das für ein Ding?« stammelte sie. »Was ist das? Was bist du ?«
    »Ich erkläre dir alles später«, sagte Jan gehetzt. »Nicht jetzt. Du mußt weg, versteh doch! Lauf weg!«
    Katrin schien tatsächlich antworten zu wollen, aber dann stieß sie statt dessen einen weiteren, keuchenden Schrei aus. Das Entsetzen in ihren Augen steigerte sich zu einer nie gekannten Intensität, während sie auf einen Punkt hinter ihm starrte.
    Jan fuhr herum, und obwohl er ganz genau gewußt hatte, was er sehen würde, lähmte ihn der Anblick für einen Moment. Der Vampir kam mit schlagenden Flügeln herangerast. Er hatte die Krallen gierig nach vorne gestreckt. Sein Gesicht war blutüberströmt und zu einer Grimasse absoluten Hasses verzerrt. Sein verbliebenes Auge schien vor Mordlust zu lodern.
    Jan riß die Arme in die Höhe und spreizte die Beine, um gegen den Aufprall gewappnet zu sein, aber es war sinnlos; genausogut hätte er versuchen können, einen vollbeladenen Sattelschlepper mit bloßen Händen aufzuhalten. Vlad traf ihn mit unvorstellbarer Wucht, schleuderte ihn quer durch den Tunnel bis an die gegenüberliegende Wand, und während er sich herumwarf und mit heftig schlagenden Flügeln auf der Stelle zu wenden versuchte, rissen seine Klauen Jans Rücken auf. Er fiel, rollte haltlos herum und sah Vlad wie den leibhaftigen Todesengel auf sich herabsinken. Die gewaltigen Schwingen des Vampirs schlossen sich wie zu einer tödlichen Umarmung um ihn, und die fürchterlichen Klauen der Bestie tasteten nach seinem Hals.
    So also endet es. Jan dachte diesen Gedanken vollkommen ohne Furcht, oder Bitterkeit. Im Gegenteil – während sich Vlads Klauen um seinen Kehlkopf schlossen und damit begannen, ganz langsam das Leben aus ihm herauszupressen, mußte er beinahe gegen ein hysterisches Lachen ankämpfen, als ihmklar wurde, auf welche fast schon groteske Weise sich der Kreis schloß. Es hatte im Kino begonnen, mit einem lächerlichen Vampir, der gegen Kronleuchter flog und von seinem eigenen Schatten bedroht wurde, und nun lag er hundert Meter unter der Erde auf dem Rücken, und auf seiner Brust hockte ein echter Vampir, ein Geschöpf, dessen bloße Existenz er noch vor wenigen Tagen als lächerlich abgetan hätte, und preßte das Leben aus ihm heraus.
    Aber eigentlich hatte es nicht im Kino angefangen. Es hatte in der Toilette des »Cinedom« angefangen, während er auf dem Rücken lag und Vlad über ihm stand, und –
    Jan riß den rechten Arm in die Höhe und griff nach Nosferatus Herz. Er spürte nicht den geringsten Widerstand, als seine Hand in den Brustkorb des Vampirs eindrang, nach seinem Herzen tastete und sich darum schloß.
    Vlad keuchte. Sein einzelnes Auge weitete sich in purem Entsetzen, als er erkannte, was Jan tat und, viel schlimmer noch, als er begriff, daß Jan dazu in der Lage war . Er bäumte sich auf, griff mit beiden Händen nach Jans Arm und versuchte, ihn von sich wegzustoßen, aber Jan hielt mit erbarmungsloser Kraft fest. Seine Finger preßten Vlads schlagendes Herz zusammen, und etwas in ihm riß das Leben aus seinem Gegner heraus. Er spürte die absolute Todesangst des Vampirs, seine Schmerzen und das abgrundtiefe Entsetzen, als der begriff, daß die Ewigkeit doch nicht ganz so lang war, wie er bisher angenommen hatte.
    Vlad wehrte sich mit verzweifelter Kraft, aber es war ein unfairer Kampf, denn während seine Kraft mit jedem Augenblick abnahm, wuchs die Jans in gleichem Maße. Jede Anstrengung des Vampirs, jedes verzweifelte Aufbäumen steigerte
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