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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Roman

    B ei der Szene, in der Lesley Nielsen – in Gestalt einer Fledermaus, aber mit seinem eigenen zerknautschten Gesicht – gegen die geschlossene Fensterscheibe flog und quietschend daran hinabrutschte, hätte Jan sich um ein Haar in die Hose gepinkelt. Allerdings nicht vor Lachen.
    Jan fand »Tot aber glücklich« nur mäßig komisch; wenn überhaupt. Er hatte zwei-, oder dreimal geschmunzelt und ein paarmal das Gesicht verzogen; hauptsächlich, um Katrin einen Gefallen zu tun, die neben ihm saß und ihm ab und zu einen prüfenden Blick zuwarf. Wahrscheinlich glaubte sie, daß er es in der Dunkelheit des Kinos nicht merkte. Jan wollte gewiß kein Spielverderber sein. Wäre er es, dann wären sie jetzt gar nicht hier, denn er war letztendlich nur in diesen blöden Film mitgegangen, um Katrin einen Gefallen zu tun. Er hielt sich eigentlich für einen ziemlich fröhlichen Menschen, der gerne lachte und einen manchmal schon rabenschwarzen Sinn für Humor an den Tag legte.
    Das Problem war nicht er. Das Problem war der Film. Er war einfach nicht komisch. Die Gags waren entweder unbeholfen oder geklaut, und in den wenigen halbwegs gelungenen Szenen beschränkte sich der Humor entweder auf reinen Slapstick oder Nielsens Gesichtsakrobatik.
    Außerdem, sagte Jan sich, hätte er dieses verdammte Bier nicht trinken sollen.
    Er war an diesem Morgen ungewöhnlich früh aufgestanden – vor zehn, eine Zeit, zu der er Störungen normalerweise als vorsätzliche Körperverletzung betrachtete –, und er hatte es keineswegs freiwillig getan, sondern war von einer leisen Übelkeit geweckt worden, die grundlos kam und sich hartnäckig den ganzen Tag über gehalten hatte. Strenggenommen war es nicht einmal Übelkeit gewesen, sondern einfach eine Art … Unwohlsein. Fast eine Stunde lang hatte er sogar ernsthaft daran gedacht, Katrin anzurufen und den geplanten Kinoabend abzusagen. Er war einfach nicht gut drauf, und er konnte sich nicht vorstellen, daß ein Abend mit Katrins infantilen Freunden und eine Eintrittskarte für einen Film, der ihn nicht interessierte, in irgendeiner Form dazu angetan waren, seine Stimmung nennenswert zu heben.
    Aber Katrin freute sich seit einer Woche auf den Film. Wenn er so kurzfristig absagte, dann würde sie nicht gut drauf sein, und das wiederum würde spätestens nach zwei oder drei Tagen dazu führen, daß er noch schlechter drauf war. Katrin hatte eine ziemlich direkte Art, ihren jeweiligen Launen Ausdruck zu verleihen. Und sie war der mit Abstand nachtragendste Mensch, den er kannte.
    Trotzdem – es lag wohl an diesem verdammten Bier. Er hätte es verdammt noch mal nicht trinken sollen. Dabei mochte er Kölsch nicht einmal.
    Jan lauschte noch einen Moment in sich hinein, kam zu dem Schluß, daß er es sowieso allerhöchstens noch zehn Minuten aushalten würde, und beugte sich nach rechts, um Dieter, der neben Katrin saß (und im Moment weit weniger mit dem Film als vielmehr mit irgend etwas beschäftigt war, was er unter Jennys Bluse verloren zu haben schien), auf die Schulter zu tippen.
    »Was –?« Dieter wirkte für eine Sekunde regelrecht erschrocken, dann wütend.
    »Ich brauche eine Karte«, sagte Jan. »Nur, damit ich wieder reinkomme.«
    »Schon wieder?« Dieter zog die linke Hand unter Jennifers Bluse hervor (Hieß sie überhaupt Jennifer? Katrins Bruder wechselte seine Freundinnen in letzter Zeit so häufig, daß Jan sich kaum noch die Mühe machte, sich ihre Namen zu merken), begann dann in seiner eigenen Jacke zu wühlen und förderte eine zerknitterte Eintrittskarte zutage, die er ihm mit einem schadenfrohen Grinsen reichte.
    »Ist das überhaupt nötig?« fragte Dieter. »Ich meine: Eigentlich müßten sie dich doch alle schon längst kennen, oder?«
    »Sehr komisch«, antwortete Jan. »Wirklich.«
    »He!« Katrin versetzte ihm einen Rippenstoß, der ein bißchen zu heftig ausfiel, als daß Jan ihn noch als freundschaftlich empfand. »Ich möchte etwas von dem Film verstehen.«
    »Er kann nichts dafür«, sagte Dieter grinsend. »Du weißt doch – dein Freund hat eine schwache Blase.«
    »Haben das nicht sonst immer nur kleine Mädchen?« fügte Jennifer (oder wie immer sie hieß) feixend hinzu.
    Jan zog es vor, auf die alberne Diskussion nicht einzugehen. Er konnte dabei nur verlieren. Er schob die Karte achtlos in die linke Brusttasche, stemmte sich ungeschickt aus dem Kinosessel hoch und versuchte, sich irgendwie ans Ende der Sitzreihe vorzutasten, ohne dabei auf zu viele
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