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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte, und ließ sein rechtes Handgelenk los. Nur einen Moment später krallte er die Finger der Rechten mit aller Gewalt in die Wunde in Vlads Oberschenkel, und aus Vlads Schreien wurde etwas Neues, etwas wofür das Wort Schrei nicht mehr ausreichte, weil es Laute waren, wie sie vielleicht noch kein lebender Mensch jemals zuvor gehört hatte. Der Vampir litt unvorstellbare Qualen, und etwas in Jan spürte diese Pein und labte sich daran. Vlads Schmerz war plötzlich zu seinem Genuß geworden. Jede Sekunde des Leidens, die der Vampir nun durchlitt, ließ Jans neuerworbene Kraft weiter anwachsen.
    Und plötzlich wurde ihm klar, was er da tat.
    Jan schrie auf – diesmal vor lauter Entsetzen und Ekel über sich selbst –, wirbelte Vlad abermals herum und schleuderte ihn dann in hohem Bogen davon. Vlad flog mit kraftlos pendelnden Gliedern über die Köpfe der gaffenden Menge und schlug mindestens zwanzig Meter entfernt, mit einem dumpfen Geräusch auf. Seine Schreie verstummten.
    Jan fiel wimmernd auf die Knie, geschüttelt von entsetzlichemSchrecken und noch immer unfähig zu begreifen, was er gerade getan hatte – oder zumindest, es sich einzugestehen . Tief in sich wußte er es. Innerlich wußte er es schon lange, aber er weigerte sich einfach, diesen Gedanken zu mehr als einer diffusen Ahnung werden zu lassen. Es durfte nicht sein.
    Jemand berührte ihn an der Schulter, und als er aufsah, blickte er direkt in Veras Gesicht. Sie lächelte ein grausames, durch und durch böses Lächeln, aber so absurd es ihm auch selbst vorkam, machte sie dieser Ausdruck fast noch schöner.
    Nein. Jan verbesserte sich. Nicht schöner. Anziehender. Er mußte wieder an ihre letzten Stunden im Hotelzimmer zurückdenken.
    Vera schüttelte den Kopf, und ihr Lächeln wurde spöttisch. Wie auch immer, sie hatte seine Gedanken gelesen, erraten oder sonstwas. »Nicht jetzt«, sagte sie. »Später. Wenn wir Vlad erledigt haben. Du lernst wirklich schnell.«
    Jan senkte schuldbewußt den Blick, versuchte die unzüchtigen Gedanken ebenso wie das kalte Entsetzen aus seinem Kopf zu verbannen und setzte sich weiter auf. Vera hatte recht: Sie hatten im Moment wirklich Wichtigeres zu tun. Vlad war mehr als angeschlagen. Aber er war noch nicht tot, und er stellte selbst in diesem Zustand noch eine tödliche Gefahr dar.
    Er versuchte, an Vera vorbei zu blicken, um nach Vlad Ausschau zu halten, aber das einzige was er sah, waren bunt gekleidete Gestalten, die sich in diesem Moment wie auf ein unhörbares Kommando umdrehten und davongingen.
    »Wieso … gehen Sie?« murmelte er.
    »Wieso nicht?« Vera hob die Schultern. »Es ist nicht ihr Kampf.«
    »Weil wir nicht zu ihrer Sippe gehören. Was soll das bedeuten – Sippe? Du hast gesagt, ihr wärt nur wenige. Das hier ist ein ganzes Volk , verdammt noch mal! Und es gibt noch mehr als diese eine Sippe, habe ich recht?!«
    »Versuch nicht etwas zu verstehen, was du nicht verstehen kannst«, sagte Vera. »Noch nicht. Alles, was du im Moment wissen mußt, ist, daß niemand von diesen Leuten hier dir helfen wird. Aber sie werden dich auch nicht aufhalten.« Sie sah rasch über die Schulter zurück, und für einen kurzen Moment schien sich ihre Silhouette dabei zu verändern, zu etwas Dunklem, fast Fledermausartigem zu werden.
    Der Moment verging, bevor er sicher sein konnte, ob er nun Wirklichkeit oder bloß eingebildet gewesen war.
    »Er beginnt sich bereits wieder zu erholen«, sagte sie. »Noch ist er schwach, aber dir bleibt nicht mehr sehr viel Zeit.«
    » Mir «, murmelte er. »Und ich dachte, es wäre unsere Jagd.«
    »Er hat deine kleine Freundin, nicht meine«, antwortete Vera achselzuckend. »Keine Angst. Ich bleibe die ganze Zeit in deiner Nähe.«
    So, wie du es die ganze Zeit über schon gewesen bist, wie ? dachte Jan. Er sprach es nicht aus. Vielleicht las Vera die Worte in seinen Gedanken, vielleicht auch nicht, aber das war ihm mittlerweile egal. Er stemmte sich weiter hoch, schaffte es mit einiger Mühe, auf die Füße zu kommen, und sah sich nach Vlad um. Der Vampir war verschwunden.
    Er griff in die Tasche, zog die Kamera heraus und schaltete sie ein, und noch während er ein Stoßgebet zum Himmel schickte, daß sie wenigstens noch dieses eine Mal funktionieren möge, schüttelte Vera den Kopf und sagte mißbilligend: »Aber das hast du doch wirklich nicht mehr nötig, oder?«
    Jan drehte die Digitalkamera herum, blickte genau in das winzige Objektiv und drückte den Auslöser. Ein ganz
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