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0079 - Der Tyrann von Venedig

0079 - Der Tyrann von Venedig

Titel: 0079 - Der Tyrann von Venedig
Autoren: Richard Wunderer
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»John. Sie sollen nach Venedig fahren!«
    Normalerweise denkt man bei Venedig an Jungverliebte, an Gondeln, Palazzi, Sonne und Spaghetti mit Rotwein. Aber wenn mein Chef bei Scotland Yard, Sir Powell, seines Zeichens Superintendent, von Venedig spricht, denkt man an alles andere, nur nicht an die schönen Seiten des Lebens.
    »Wie Sie meinen, Sir«, erwiderte ich grinsend und stützte mich respektlos auf seinen Schreibtisch. »Dorthin wollte ich ohnedies das erspart mir den Kampf um die Spesen.«
    Sir Powell verschlug es für einige Sekunden vor Überraschung die Sprache. »Wieso wollten Sie nach Venedig, John?« erkundigte er sich mißtrauisch. »Urlaub? Hatten Sie nicht eben welchen?«
    »Ich hatte einen wichtigen Fall, der mehr als lebensgefährlich war, aber keinen Urlaub«, konterte ich. »Nach Venedig wollte ich, weil sich da undurchsichtige Dinge ereignen. In diese Operettenkulisse scheint sich einer meiner Freunde eingeschlichen zu haben.«
    Für all jene, die mich vielleicht noch nicht kennen sollten: Ich, John Sinclair, bin Oberinspektor bei Scotland Yard. Ich beschäftige mich jedoch nicht mit gewöhnlichen Verbrechern.
    Meine Aufgabe ist es, dem Bösen auf der Welt nachzuspüren, Geister und Dämonen und Vampire und was es noch alles an Höllenzeug gibt zu bannen und zu vernichten.
    »Sir!« Ich setzte mich kurzerhand auf die Schreibtischkante. »Die Höllenmächte haben überall Augen und Ohren, die ihnen Neuigkeiten zutragen. Andererseits erfahre ich auch eine ganze Menge. Es gibt viele Menschen, die einen Generalangriff der finsteren Mächte fürchten, aber nicht offen gegen die Hölle auftreten. Sie lassen mir jedoch von Zeit zu Zeit Informationen zukommen.«
    »Und da haben Sie etwas über Venedig gehört?« Sir Powell riß die Augen hinter den dicken Brillengläsern weit auf. Jetzt erinnerte er mich noch mehr als sonst an einen Magenkranken. Meine Nachricht schien ihm tatsächlich auf den Magen zu schlagen, daß er hastig eine Tablette aus seinem Schubfach holte und sie mit Sprudelwasser hinunterschluckte. Seine Augen richteten sich auf mich. »Wieso sitzen Sie dann noch hier herum?« schrie er. »Fahren Sie endlich, oder glauben Sie, daß Sie vom Yard für’s Nichtstun bezahlt werden?«
    Ich grinste unbekümmert weiter. Sir Powell hatte eine rauhe Schale aber einen weichen Kern. Einen sehr weichen. Wenn es sein mußte, stellte er sich hundertprozentig hinter mich.
    »Ich bin hier, weil ich darauf warte, daß Sie mir endlich erklären, Sir, warum Sie mich nach Venedig schicken wollten.«
    Er schlug sich an die Stirn. »Daß ich das vergessen konnte! Haben Sie schon von den SUN-AND-FUN-Reisen gehört?«
    »Sonnen-und-Spaß-Reisen? Natürlich, wer kennt die nicht!«
    »Aus drei verschiedenen Reisegruppen dieses Unternehmens sind in Venedig drei Personen spurlos verschwunden.«
    Mein Grinsen war wie weggewischt. Da hörte der Spaß auf. »Was sagt die venezianische Polizei dazu?«
    Sir Powell hob die Schultern. »Die Manager des Reisebüros haben sich natürlich dahintergeklemmt, aber bisher ist nichts dabei herausgekommen. Bis auf das hier! Dieser Zettel wurde der Polizei in Venedig anonym zugespielt. Die Kollegen haben ihn auf Bitten der Reiseveranstalter an uns weitergeleitet.«
    Ich nahm das zerknüllte Papier aus seiner Hand und überflog die kaum leserliche Kritzelei.
    HILFE… GEFANGEN… PALAZZO… MAGISCHE EINF…
    »Könnte von einem der Verschwundenen stammen«, stellte ich fest. »In Englisch geschrieben. Das letzte Wort Einf… Das könnte ›magische Einflüsse‹ heißen.«
    Sir Powell nickte zustimmend. »Deshalb sollen Sie sofort fliegen, John. Nehmen Sie Suko mit?«
    »Wenn Sie die Spesen zahlen«, meinte ich. »Diesmal braut sich etwas besonders Unangenehmes zusammen. Ich werde auch Jane Collins fragen, ob sie mich begleitet.«
    Ich sah Sir Powell an, daß er im Geist nachrechnete und zu zittern begann.
    »Suko ist nicht mehr allein, wie Sie wissen«, fügte ich freundlich hinzu. »Shao will sicher dabei sein.«
    »Die Spesenkasse…!« setzte er an.
    Ich winkte ab. »Suko wird es sich nicht nehmen lassen, für seine Shao selbst zu zahlen«, sagte ich beruhigend.
    Sir Powell schob die Brille zurecht. »Ja, die Liebe«, murmelte er und lächelte versonnen vor sich hin.
    Er war schon lange Witwer. Ob er an vergangene Zeiten dachte?
    Ich wußte es nicht und konnte auch nicht weiter darüber nachgrübeln, weil ich mich beeilen mußte. Venedig wartete auf mich. Venedig und ein neues,
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