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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso
Autoren: Andreas Werning
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1.
     
    Konfrontationen sind unvermeidbar. Sich daraus ergebende Auseinandersetzungen müssen ausgetragen werden. Dabei ist darauf zu achten, daß die Chancen gleich verteilt sind. Das Einsetzen von modernem Kriegsgerät gleicht einer Blasphemie, denn es macht die Auseinandersetzung selbst zu einer Nebensache, das Töten von vielen Menschen aber zum Hauptgesichtspunkt. Wer modernes Kriegsgerät einsetzt, wird von den Schlachtenbeobachtern in angebrachter Form zur Rechenschaft gezogen.
    Die Alten Regeln
     
    An unsere Kindheit erinnern wir uns nicht. Sie ist auch nicht wichtig für uns. Unser Leben wird vom Kampf bestimmt. Wir haben viel gelernt und viel trainiert. Unser Leben ist der Kampf. Ohne Kampf sind wir nicht wir selbst. Ohne Kampf sind wir unglücklich.
    Soldatenphilosophie
     
    Das Streitland.
    Eine Ebene, die sich bis zum Horizont erstreckte. Sand, Steine, in der Hitze verdorrt; grauweiße Gräser, fast tot. Ein Land, das viel Blut getrunken hatte und noch immer durstig war.
    Zwei Langtage war die Schlange aus Menschen durch das Kargland gekrochen, eine lange Spur hinter sich herziehend. Sie hatte nur haltgemacht, um die Wasserschläuche an den wenigen Naßoasen neu zu füllen. Die Soldaten hatten gesungen, jetzt waren sie stumm. Das Ziel war erreicht.
    »Es ist endlich soweit«, sagte Ahiron Susla. Die Streitlibelle unter ihm bewegte sich unruhig. Der Soldat berührte einige Nervenpunkte am Rudimentärhals, und die Libelle beruhigte sich wieder. Vielleicht witterte sie das Blut vergangener Schlachten, das im heißen Sand der Ebene versickert war.
    »Ja«, gab Tajima Nimrod zurück. Der sanft zitternde Körper seiner Streitlibelle vermittelte ihm das Gefühl von Kraft und Macht. Sein metallener Körperpanzer glitzerte wie Silber im grellen Licht des blauweißen Höllenfeuers am Himmel. Die Hitze war schier unerträglich, doch ein Soldat war es gewohnt, Unannehmlichkeiten zu ertragen. Er zwinkerte. Die Siebensteine waren als undeutlicher Schemen nahe am Horizont zu erkennen. Ja, es war soweit. Die Schnellarchitekten waren damit beschäftigt, das Heerlager am Rand des Streitlands zu errichten. Zelte wuchsen aus dem heißen Boden: einige groß und eindrucksvoll, andere klein und kümmerlich. Erstere dienten den Kampfgruppenleitern und Kriegsherren als Unterkunft, die anderen den einfachen Soldaten. Mit ausdrucksloser Miene beobachtete Tajima Nimrod das Treiben. Stille, während weitere Zelte errichtet wurden. Die Soldaten rührten sich nicht. Sie waren Kämpfer, keine Bauherren.
    »Etwas nicht in Ordnung?« Ahiron Susla lenkte seine Streitlibelle näher an die seines Intimfreunds heran.
    Tajima beugte sich in seinem Sattel vor, beschattete mit den Händen seine Augen und starrte ins Streitland hinein. Vom Wyantheer war weit und breit nichts zu sehen. Aber vielleicht verbarg der Dunst der Höllenfeuerzeit den gegnerischen Kampfzug. »Es ist sinnlos«, murmelte er.
    »Was ist sinnlos?«
    Tajima sah sich rasch um. Die anderen Soldaten kümmerten sich nicht um ihren Wortwechsel. Gut so. Seine Worte waren nur für die Ohren seines Intimfreunds bestimmt.
    »Der Kampf.« Tajima überlegte einen Augenblick und streckte sich. Er war von schlanker, drahtiger Statur. Ein Körper, der zum Kampf geschaffen worden war. Muskeln, die Anstrengungen gewöhnt waren. Reflexe, die weitgehend automatisch abliefen. Das lange, feuerrote Haar war nun unter dem Helm aus Dunkeleisen verborgen. Die dunklen, fast schwarzen Augen reflektierten auf sonderbare Weise das Licht des Höllenfeuers. »Was wissen wir von der Welt? Was haben wir von Leseitis gesehen? Nur das Streitland und die Ländereien der Ohtanis.«
    »Und die Gebärkammern.«
    Tajima nickte. »Ich habe Pech. Ich erinnere mich nicht an sie.« Seine Stimme klang ausdruckslos. Er hatte sich gut unter Kontrolle. »Ich habe Angst, Ahiron. Angst, zu sterben. Angst vor der bevorstehenden Schlacht.«
    Sein Intimfreund lenkte die Streitlibelle noch näher an ihn heran. Die beiden mit Beißzangen und Giftspritzern bewehrten Köpfe rieben sich liebkosend aneinander. Ahiron legte seine Hand auf Tajimas breite Schulter. Das Metall des Körperpanzers war heiß.
    »Ein Soldat findet in der Schlacht zu sich selbst«, rezitierte er. Er sprach leise, als er fortfuhr: »Du bist jung, Tajima. Du hast erst wenige Schlachten miterlebt. Und es ist das Vorrecht der Jugend, Fragen zu stellen. Doch nicht hier, Tajima. Es gibt überall neugierige Ohren. Zu mir kannst du sprechen. Doch sieh dich vor
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