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Du und Ich

Du und Ich

Titel: Du und Ich
Autoren: Niccolò Ammaniti
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richtig. Ich weiß nur noch, dass es eine Menge Treppen gab. Und dann war da ein Brunnen, aus dem Eidechsen kamen. Und große Zitronen gab es.«
    »Und du erinnerst dich nicht daran, wie sie dich ins Wasser geworfen haben?«
    Ich wandte mich zu ihr hin, um sie anzusehen. »Nein.«
    »Wir waren mit Papas Motorboot vor den Faraglioni.«
    »Das Motorboot habe ich auf Fotos gesehen. Es war aus glänzendem Holz. Es hieß Sweet Melody II . Es gibt sogar ein Foto, auf dem Papa Wasserski fährt.«
    »Es wurde von einem tiefgebräunten Seemann mit Lockenkopf und Goldkettchen gefahren. Du hattest irrsinnige Angst vor dem Wasser. Sobald du den Strand sahst, hast du geschrien, bis man dir Schwimmflügel dranmachte. Du bist nicht mal auf die Fähre gegangen, wenn du keine anhattest. Also, an diesem Tag waren wir auf offener See, und alle sind geschwommen, und du hast dich wie ein Krebs an die Leiter geklammert und uns zugeschaut. Wenn jemand gesagt hat, du sollst ins Wasser kommen, bist du durchgedreht. Dann haben wir Seeigel mit Brot gegessen. Papa und der Seemann hatten eine Menge Wein getrunken, und der Seemann hat erzählt, dass sie ihre Kinder, um ihnen die Angst vor dem Wasser zu nehmen, ohne Schwimmflügel und Rettungsring ins Meer werfen. Sie gehen ein bisschen unter, doch nach kurzer Zeit beginnen alle zu schwimmen. Du warst im Cockpit und spieltest mit deinen Sachen. Sie sind von hinten gekommen, haben dir die Schwimmflügel abgestreift, und du hast angefangen, um dich zu schlagen, hast geschrien, als wollten sie dir die Haut abziehen, und ich habe ihnen gesagt, sie sollen dich loslassen, doch sie haben nicht auf mich gehört. Im Gegenteil, sie haben dich ins Wasser geworfen.«
    Ich hörte ihr ungläubig zu. »Und meine Mutter hat nichts gemacht?«
    »Sie war an dem Tag nicht dabei.«
    »Und was ist dann passiert?«
    Sie lächelte. »Du bist untergegangen. Papa ist ins Wasser gesprungen, um dich rauszuholen. Doch nach einem Moment bist du wieder aufgetaucht und hast geschrien, als wärst du von einem Hai gebissen worden. Du hast mit den Armen um dich geschlagen und … bist geschwommen.«
    »Wirklich?«
    »Ja, wie ein kleiner Hund, die Augen traten dir aus den Höhlen, und dann hast du dich an die Leiter geklammert und bist so schnell rausgeklettert, als hättest du in Lava gesteckt.«
    »Und dann?«
    »Dann bist du in die Kabine gerannt und hast dich unter die Koje gekauert. Du hast gezittert und mit offenem Mund geatmet. Papa versuchte dich zu beruhigen, sagte, du wärst ein großartiger Schwimmer, dass du keine Schwimmflügel mehr bräuchtest. Doch du hast weiter geheult. Hast ihn angeschrien, dass er weggehen soll.«
    »Und dann?«
    »Du bist plötzlich eingeschlafen. Bist weggesackt, als hätte man dich betäubt. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
    »Und du … Was hast du gemacht?«
    »Ich habe mich neben dich gesetzt. Dann ist das Motorboot losgefahren. Und du und ich sind in der Kabine geblieben, wo es nach Bilge roch und alles vibrierte und ratterte.«
    »Du und ich?«
    »Ja.« Sie nahm einen Zug aus der Zigarette. »Du und ich.«
    »Wie komisch. Ich erinnere mich an nichts. Papa hat nie mit mir darüber gesprochen.«
    »Natürlich nicht, er hatte Scheiße gebaut … Und wenn deine Mutter davon erfahren hätte, hätte sie ihm den Kopf abgerissen. Gehst du denn mittlerweile schwimmen?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Ja.«
    »Du hast keine Angst vor dem Wasser?«
    »Nein. Eine Weile war ich sogar im Schwimmverein. Aber ich habe damit aufgehört. Mit Wasser in den Ohren kann ich nicht denken. Und ich hasse Schwimmbäder.«
    Olivia drückte die Zigarette in der Thunfischdose aus. »Was hasst du am allermeisten auf der Welt?«
    Da gab es vieles. »Vielleicht Überraschungspartys. Vor zwei Jahren hat meine Mutter eine für mich organisiert. Diese ganzen Leute, die mich beglückwünscht haben. Ein Albtraum. Neujahr finde ich auch ziemlich furchtbar. Und du?«
    »Ich … Lass mich nachdenken. Ich hasse Hochzeiten.«
    »Ja, die sind auch grauenhaft.«
    »Warte!« Olivia stand auf. »Sieh mal, was ich gefunden habe.« Sie hob einen viereckigen roten Koffer hoch und machte ihn auf. Drinnen war ein Plattenspieler. »Wer weiß, vielleicht funktioniert der noch.«
    Wir schlossen ihn an, und der Plattenteller drehte sich. Sie begann in einem Karton voller Platten zu suchen. »Nein … Sieh mal hier, was für ein Wunder.« Sie zog eine Single heraus und zeigte sie mir. »Ich liebe dieses Lied.« Sie legte die Platte auf
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