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Du und Ich

Du und Ich

Titel: Du und Ich
Autoren: Niccolò Ammaniti
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fanden kein Ende. Die armen Dackel, die pinkeln gehen wollten, sahen sie verzweifelt an.
    Es reichte, ich musste etwas tun. Ob sie mich nun erwischten oder nicht.
    Ich verließ mein Versteck, überquerte die Straße und lief bis zur Mauer, die unser Haus umgab. Sie war hoch, doch eine alte, krumme Bougainvillea wuchs bis oben hin.
    »Also gegen Forza Roma … Was kann man schon machen?«, hörte ich den Cercopithecus sagen.
    »Aber diesmal ist es echt schwierig. Totti ist wieder fit. Alles klar, ciao …«, sagte Giovanni.
    Himmel, er würde gleich rauskommen. Ich hielt mich fest, und ein Dorn stach mir in die Hand. Ich biss die Zähne zusammen, zog mich an der Mauer hoch und landete mit einem ungeschickten Sprung im Garten der Barattieri.
    Ich rannte zum Haus, betete, dass mich niemand sah, und presste mich an die Wand.
    Das Fenster zur Souterrainwohnung des Cercopithecus war nur angelehnt.
    Wenigstens einmal hatte ich Glück.
    Ich öffnete das Fenster, hielt mich am Rahmen fest und ließ mich ins Halbdunkel hinunter. Auf der Suche nach einem Halt streckte ich die Beine aus, und mein linker Fuß landete in etwas furchtbar Heißem. Ich unterdrückte einen Schrei, fiel auf den Gasherd und von dort mit dem Hintern auf den Boden.
    Ich hatte den Fuß in einen Topf mit Pasta und Linsen gesetzt, der zum Glück abkühlte und nicht mehr auf dem Feuer war.
    Ich massierte mir eine Hinterbacke und stand auf.
    Die Linsen waren überall verstreut, als wäre eine Bombe hochgegangen.
    Und jetzt? Wenn ich nicht alles sauber machte, würde der Cercopithecus dieses Chaos sehen und denken …
    Ich lächelte.
    Natürlich würde er denken, die Zigeuner wären wieder in seine Wohnung eingebrochen.
    Ich sah mich um. Ich musste irgendetwas mitnehmen.
    Mein Blick fiel auf eine Padre-Pio-Figur, die aussah wie eine Rakete. Sie war mit einem Glitzerpulver überzogen, das je nach Wetter die Farbe änderte.
    Ich nahm sie und wollte schon rausgehen, drehte mich dann aber noch einmal um und machte den Kühlschrank auf.
    Obst, eine Schüssel mit gekochtem Reis und ein Sechserpack Bier.
    Ich nahm das Bier. Als ich aus der Portiersloge kam, war der Cercopithecus immer noch auf dem Hof und redete mit Nihal.
    Humpelnd und mit einem Schuh in der Hand brachte ich die Treppe zum Keller hinter mich. Ich schloss auf und öffnete die Tür. »Sieh mal … Ich habe Bier mitge…«
    Die Padre-Pio-Figur glitt mir aus der Hand und zerbrach auf dem Boden.
    Olivia lag mit gespreizten Beinen auf meinem Bett. Einen Arm auf das Kissen geworfen. Ein Speichelrinnsal lief ihr übers Kinn.
    Ich hielt mir eine Hand vor den Mund. »Sie ist tot.«
    Alle Schränke waren aufgerissen, alle Schubladen herausgezogen, alle Kleider irgendwo hingeworfen, Kartons ausgeräumt. Unter dem Bett geöffnete Medikamentengläschen.
    Ich hielt den Blick auf meine Schwester geheftet und schleppte mich zum Sofa.
    Ich fasste mir an die Schläfen, sie pochten, ein Dröhnen in den Ohren betäubte mich, und die Augen taten mir weh.
    Ich war so müde, noch nie in meinem Leben hatte ich mich so müde gefühlt, jede Faser meines Körpers war müde und flehte mich an, auszuruhen, die Augen zu schließen.
    Ja, es war besser, wenn ich ein wenig schlief, nur fünf Minuten.
    Ich zog mir die Schuhe aus und legte mich aufs Sofa. Dort blieb ich, ich weiß nicht, wie lange, starrte meine Schwester an und gähnte.
    Sie war ein langer, dunkler Fleck auf dem blauen Bett. Ich dachte an das erstarrte Blut in ihren Venen. An das rote Blut, das erst schwarz wird, hart wie eine Kruste, und dann zu Staub zerfällt.
    Olivias Finger zuckten, wie Hunde mit den Pfoten zucken, wenn sie schlafen.
    Ich versuchte genau hinzusehen, meine Augen brannten.
    Doch ich irrte mich. Es war nur Einbildung gewesen.
    Dann bewegte sie einen Arm.
    Ich stand auf, lief zu ihr und schüttelte sie. Ich erinnere mich nicht, was ich zu ihr sagte, nur dass ich sie vom Bett hochhob, in die Arme schloss und dachte, ich sollte sie nach draußen tragen, und dass ich stark genug war, sie auf den Armen zu halten, als wäre sie ein verletzter Hund, und mit ihr auf den Armen die Via Aldrovandi hinunterzugehen, und die Via delle Tre Madonne, den Viale Bruno Buozzi …
    Olivia begann mit leiser Stimme zu sprechen.
    »Du lebst! Du lebst!«, stammelte ich.
    Ich verstand nicht, was sie sagte.
    Ich legte ihr eine Hand in den Nacken und rückte mit meinem Ohr noch näher heran.
    »Was? Was hast du gesagt?«
    Blubbernd brachte sie heraus: »… Schlafmittel
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