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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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Digitalrekorder«, sagt sie. »Ich will doch nur das Interview aufzeichnen.«
    »Nein«, entgegne ich entschieden und drücke mich tief ins Kissen. »Bringen Sie das Ding auf den Flur oder nach nebenan. Es darf nicht hierbleiben.«
    Sie betrachtet das Gerät, dann mich, zuckt mit den Achseln und geht ins Bad. »Ich stelle es auf das Wasch­becken. Ist das in Ordnung?«
    »Ja.« Ich hole tief Luft und nehme mich zusammen, um mich zu beruhigen. Es ist nur ein Rekorder, der vielleicht nicht einmal ein Signal aussendet. »Wenn Sie ein Handy haben, müssen Sie es ebenfalls dort ablegen.«
    »In Ordnung.« Sie kehrt mit einem Notizblock und einem Stift zurück. »Dann wollen wir beginnen. Die Ärzte vermuten, Sie könnten einen Tatort gesehen haben, der mit dem Wellnesskiller zu tun hat. Können Sie mir diese Szene bitte beschreiben?«
    »Ich erinnere mich an nichts dergleichen.«
    Sie runzelt die Stirn. »Sie haben aber doch darüber gesprochen.«
    »Ich habe über … über etwas ganz anderes gesprochen«, erwidere ich. Es scheint mir zu riskant, die Gesichtslosen zu erwähnen. Sie muss mir glauben und darf mich nicht für verrückt halten. »Möglicherweise habe ich etwas bemerkt, aber ich kann mich an keinen Tatort erinnern, und ganz bestimmt weiß ich nichts über Leichen oder so.«
    »Na gut«, sagt sie langsam und tippt mit dem Stift auf den Block. »Vielleicht fällt Ihnen etwas anderes ein, wenn Sie sich an keinen Tatort erinnern. Offenbar sind die Ärzte überzeugt, dass Sie etwas gesehen haben, sonst hätten sie nicht die Polizei angerufen.«
    »Was, sie haben die Polizei angerufen?«
    »Nichts Schlimmes, sie haben nur einen Hinweis gegeben. Meine Quelle hat den Anruf selbst erledigt, deshalb habe ich von Ihnen erfahren. Lassen Sie es uns der Reihe nach durchgehen. Darf ich annehmen, dass Sie an einem Gedächtnisverlust leiden?«
    »Mir fehlen etwa zwei Wochen.« Ich nicke. »Ich bin irgendwo gestürzt.«
    »Hat Sie jemand gestoßen?«
    »Daran erinnere ich mich nicht.«
    »Wo waren Sie?«
    »Daran erinnere ich mich nicht.«
    »Das ist nicht sonderlich hilfreich.«
    »Ich kann mich nur noch an eine … leere Stadt er­innern«, sage ich. »Straßen mit Häusern, in denen niemand lebt. Wie ein nacktes Skelett, nachdem das Fleisch verschwunden ist.«
    Sie notiert es sich. »Das ist unheimlich, aber es ist ein Anhaltspunkt. Wissen Sie noch, wer bei Ihnen war?«
    »Ich glaube nicht, dass jemand bei mir war. Vielleicht Lucy – ganz sicher Lucy, weil ich mir nicht vorstellen kann, ohne sie irgendwo hinzugehen.« Aufrichtig und vertrauensvoll blicke ich sie an. »Wir wollen hier weg. Vielleicht in eine Kleinstadt oder sogar auf eine Farm. Ich würde gern auf einer Farm leben. Die Krankenhausverwaltung konnte Lucy leider nicht finden, deshalb weiß ich nicht, wo sie ist.« Dabei fällt mir ein, dass auch ihr etwas zugestoßen sein könnte. Mein Magen fühlt sich an wie ein festes Knäuel. »Sie müssen sie unbedingt finden. Sie heißt Lucy Briggs.«
    »Und sie ist Ihre Freundin?«
    Ich nicke. »Die Telefonnummer weiß ich nicht, aber sie arbeitet in einem griechischen Restaurant auf der Grand Avenue. Ich fürchte, ihr könnte etwas zugestoßen sein.«
    »Ich werde sie finden. Gibt es sonst noch jemanden?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Hatten Sie in letzter Zeit mal mit den Kindern der Erde zu tun?«
    Mein Herz setzt aus, die ganze Welt gefriert, dann gibt es einen Ruck, und es geht weiter. Ich beäuge die Frau misstrauisch und vorsichtig, sie ist mir nicht mehr geheuer. »Was wissen Sie darüber?«
    Mit großen Augen blickt sie auf. »Was haben Sie denn?«
    »Warum fragen Sie nach den Kindern der Erde?«
    Sie notiert sich etwas auf dem Block. »Haben Sie damit ein Problem?«
    »Wie viel wissen Sie über mich?«, frage ich. »Was geht hier wirklich vor?«
    »Ich …«, stammelt sie und legt verwirrt die Stirn in Falten. »Ich weiß überhaupt nichts. Warum fragen Sie? Sind Sie ein Mitglied dieser Gruppe?«
    »Die Kinder der Erde sind eine Mörderbande«, entgegne ich. »Sie haben meine Mutter entführt, als sie schwanger war, und nach meiner Geburt umgebracht. Um keinen Preis der Welt will ich mit denen etwas zu tun haben, eher würde ich sie vorher töten.«
    Sie erbleicht. »Das ist nicht Ihr Ernst.«
    »Was haben die Kinder der Erde überhaupt mit dem Killer zu tun?«
    Sie atmet tief ein. »Fast alle Opfer waren Mitglieder dieser Gruppe.«
    Ich fluche.
    »Irgendjemand verfolgt die Kinder der Erde und verstümmelt
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