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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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haben mir eine Spritze gegeben. Ein Beruhigungsmittel. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit.
    »Bitte«, sage ich, »Sie müssen mich hier herauslassen. Ich bin nicht der, für den Sie mich halten. Jeden … jeden Augenblick werden die Anderen kommen.« Zusammenhanglose Bilder brechen über mich herein. Ich blinzle, um sie zu erkennen, bevor sie wieder verblassen.
    »Treiben Sie Doktor Vanek auf!«, befiehlt jemand, vermutlich ist es Murray. Irgendetwas drückt mir auf die Arme. Als ich sie heben will, bewegen sie sich nicht. Der Kopf wiegt eine Tonne, zehn Tonnen. Ich wehre mich und hebe ihn gerade hoch genug, um mich selbst zu betrachten.
    »Das Mittel wirkt ungewöhnlich schnell – wie viel haben Sie ihm gegeben?«
    »Nur die normale Dosis. So schnell sollte es nicht anschlagen.«
    »Er kann sich ja kaum noch rühren.«
    Wieder blinzle ich. Mein Kopf ist leer wie ein Luftballon, der Körper stürzt in einen Tunnel, ich verliere die Kontrolle. Die Gliedmaßen werden wachsweich, aber dort ist etwas, und das muss ich unbedingt sehen. Hinten im Raum steht jemand. Ich kämpfe mich aus dem Tunnel heraus, um einen letzten Blick zu erhaschen, und … da ist er.
    Ein Mann ohne Gesicht.
    Sie haben mich gefunden.



Mit einem Schrei erwache ich jäh, als hätte ich nie geschlafen. Der Gesichtslose ist immer noch da und geht auf mich los. Auf einmal ist er weg, und das Zimmer ist leer.
    »Mann«, sagte jemand, worauf ich gleich einen weiteren Schrei ausstoße. »Wie geht es Ihnen?«
    »Wer ist da?« Ich bin desorientiert und will mich drehen, um die Sprecherin zu erkennen, doch irgendetwas blockiert die Arme, und ich halte mit einem Ruck inne. Es sind dicke Ledergurte.
    »Beruhigen Sie sich«, sagt die Frau. Ist es Lucy? »Immer mit der Ruhe. Anscheinend hatten Sie einen Albtraum.« Sie tritt in mein Gesichtsfeld. Es ist nicht Lucy. Die Frau ist jung, ungefähr im gleichen Alter, trägt jedoch ein Kostüm, das meine Freundin niemals anzöge. »Ich bin Kelly Fischer und arbeite als Reporterin für die Sun . Ich wollte Sie nicht erschrecken.«
    »Was wollen Sie hier?« Nur langsam komme ich zu mir, als würden die höheren Hirnfunktionen als Letztes erwachen. Vorsichtig prüfe ich die Gurte. Die Beine sind ebenso fixiert wie die Arme, in jede Richtung habe ich nur eine Handbreit Spielraum. Der Fernseher ist ausgeschaltet, hängt aber oben an der Wand wie ein dunkles Auge.
    »Ich schreibe einen Beitrag über den Wellnesskiller«, erklärt die Frau. »Wie ich hörte, wissen Sie möglicherweise etwas darüber, und deshalb würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
    Ich erschrecke. Woher weiß sie, wer ich bin? Woher weiß sie überhaupt etwas über mich? Nun betrachte ich sie genauer und suche nach Hinweisen. Immerhin besitzt sie ein Gesicht, und ihr hängt eine große Tasche über der Schulter. Gehört sie zu den Anderen? Arbeitet sie für die Anderen?
    Misstrauisch kneife ich die Augen zusammen. »Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Ich bin mit einer Krankenschwester befreundet. Sie gibt mir hin und wieder einen Tipp, wenn sich eine große Story abzeichnet.«
    »Ich bin keine große Story.«
    »Sie sind von den Ermittlungen gegen den Killer betroffen«, erwidert sie.
    »Wie schön.« Genervt hebe ich die Hände, oder ich will es tun, doch die Fesseln hindern mich daran. Ich schließe die Augen und knurre leise. »Ich muss hier raus.«
    »Sie werden nicht verdächtigt.« Die Frau schüttelt den Kopf. »Oder jedenfalls noch nicht. Stünden Sie unter Verdacht, dann bräche ich allein schon mit meiner Anwesenheit das Gesetz. Es sieht nur so aus …« Nervös blickt sie zur Tür. Ich folge ihrem Blick, dann dämmert es mir.
    »Sie haben hier keinen Zutritt.«
    »Ich kann Ihnen helfen«, beteuert sie und hebt beschwichtigend eine Hand. »Hören Sie zu, schenken Sie mir zwei Minuten. Dann tue ich mein Möglichstes, damit Sie nicht wieder nach Powell kommen. Viel Einfluss habe ich zwar nicht, aber …«
    »Powell?« Ich reiße die Augen auf. »Schicken die mich wieder nach Powell?«
    »Wussten Sie das nicht?« Abermals blickt sie zur Tür und eilt in die hintere Ecke. »Da kommt jemand – ich flehe Sie an, verraten Sie mich nicht.« Sie verschwindet im Bad und hat nicht einmal Zeit, die Tür zu schließen, ehe jemand die andere Tür öffnet und eintritt. Es ist der große Pfleger namens Frank, den ich schon kenne.
    »Ich dachte, ich hätte einen Schrei gehört.« Er blickt zur Wand hinter mir. »Haben Sie schön geschlafen?« Am
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