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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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ihnen die Gesichter«, fährt sie fort. »Jemand, der sie ebenso abgrundtief hasst wie Sie.«
    »Deshalb verdächtigen sie mich.« Ich beobachte die Frau genau. »Sie haben gesagt, ich stünde nicht unter Verdacht, aber das stimmt nicht.«
    »Tja, also … das wird mir jetzt auch klar.« Sie drückt auf den Kugelschreiber und wirft ihn in die Tasche, faltet den Notizblock zusammen und steckt ihn ebenfalls weg. »Ich könnte eine Menge Ärger bekommen, weil ich Sie besucht habe.«
    »Sie können nicht einfach weggehen und mich ihnen überlassen«, sage ich rasch.
    »Hören Sie zu, Michael.« Sie steht auf, blickt zur Tür und kommt einen Schritt auf mich zu, um mit leiser Stimme fortzufahren. »Ich habe versprochen, mich zu erkundigen, ob ich Sie hier herausbekomme, und das werde ich auch tun. Wenn Sie unschuldig sind, wie Sie behaupten, werde ich alles tun, um Sie herauszuholen. Aber bis dahin müssen Sie vorsichtig sein, in Ordnung? Bitte verraten Sie niemandem, dass ich hier war. Hüten Sie unser Geheimnis, ja?«
    »Versprechen Sie mir, dass Sie wiederkommen?«
    »Ich will mein Möglichstes tun, aber wenn Sie irgendjemandem verraten, dass ich hier war, könnte man mir den Zugang vollständig sperren.«
    »Ich verrate Sie nicht.«
    »Danke.« Sie geht zur Tür und öffnet sie einen Spaltbreit, nachdem sie aufmerksam gelauscht hat. Dann verschwindet sie im Flur.
    Ich sitze schweigend auf dem Bett und starre den schwarzen Fernseher an. Er starrt zurück. Auf dem Flur höre ich eine laute und vertraute Stimme und blickte aufgeregt zur Tür.
    Meine letzte Hoffnung naht: Doktor Vanek besucht mich.



Doktor Vanek reißt die Tür auf und füllt sie mit seiner massigen Gestalt beinahe aus. Ich schöpfe Hoffnung, dass ich entlassen werde, doch er scheint meinen Optimismus zu spüren, runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf.
    »Wie ich hörte, haben Sie hier ja einen ganz schönen Rabatz veranstaltet.« Mit leisem Grunzen sinkt er auf einen Stuhl. Er hat dunkle Haare, einen dunklen Backen­bart und trägt eine Brille mit dünnem, zierlichem Rahmen. »Ich wünschte, Sie hätten mich im Lauf der letzten sechs Monate irgendwann einmal aufgesucht. Es ist schon schlimm genug, einen Anruf vom Krankenhaus zu bekommen und zu erfahren, dass ein verloren geglaubter Patient endlich wieder aufgetaucht ist. Aber das ist nichts dagegen, dass besagter Patient zwei Mit­arbeiter der Klinik verletzt hat, von denen einer, wie ich betonen möchte, der Chef der psychiatrischen Abteilung ist. Mit Ihrem gestrigen Ausbruch haben Sie sich keine Freunde gemacht, so viel kann ich Ihnen versichern.«
    »Sie haben schlechte Laune«, sage ich zu ihm. Doktor Vanek war schon immer schroff, sogar noch viel unwirscher als die anderen Psychiater, mit denen ich zu tun hatte. Einige waren wirklich gut, und in meine alte Schultherapeutin, eine hübsche junge Frau namens Beth, war ich sogar verknallt. Sie war die Erste, die bei mir Depressionen diagnostizierte. Sie hat ihren Job geliebt und half gern anderen Menschen. Am anderen Ende des Spektrums befindet sich Vanek, der meiner Meinung nach nur deshalb Medizin studiert hat, weil er allen zeigen wollte, wie schlau er ist.
    »Habe ich Sie nicht genau davor gewarnt, Michael?« Vanek reibt sich mit dicken Wurstfingern über die Stirn. »Habe ich Ihnen nicht sofort gesagt, als Sie hin und wieder mal eine Sitzung ausfallen ließen, dass eine Unterbrechung der Behandlung und das Absetzen der Medikamente eine Verstärkung Ihrer Symptome nach sich ziehen werden?«
    »Haben Sie ein Handy?«
    Er seufzt. »Nein, Michael. Zu unseren Sitzungen bringe ich mein Handy niemals mit, das wissen Sie doch. Ihre Abneigung gegen die Technik hat aber offenbar neue, interessante Dimensionen erreicht, wie ich höre. Erzählen Sie mir von diesen gesichtslosen Männern!«
    »Sie glauben, ich töte sie. Sie denken, ich sei dieser … dieser Wellnesskiller.«
    Vanek zieht die Augenbrauen hoch. »Wie kommen Sie darauf?«
    Ich öffne den Mund, schweige dann aber doch, denn ich habe der Reporterin versprochen, nichts zu verraten. So zucke ich nur mit den Achseln. »Das … das liegt doch auf der Hand.«
    »Nun ja.« Vanek nickt. »Das erspart mir die Mühe, es Ihnen schonend beizubringen. Wenn wir Fortschritte erzielen wollen, sollten Sie mir aber zunächst einmal erklären, wo Sie in den letzten zwei Wochen waren. Der Killer hat letzte Woche in einem Gewerbegebiet einen Raumpfleger ermordet. Es wäre schön, wenn wir beweisen könnten, dass
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