Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
weiß noch, dass ich den Fernseher nach draußen bringen wollte, damit das Haus sicher ist. Ich glaube, er ist ausgeflippt.«
    »Das passt zu ihm und zu Ihnen.« Vanek nimmt die Brille ab und reibt sich die Augen. »Wenn Ihrem Vater der Sohn halb so wichtig wäre wie der Fernseher, hätten wir viel früher von diesem Verhalten erfahren und rechtzeitig eingreifen können.«
    »Ich bin von zu Hause weg«, fahre ich fort, ohne auf ihn einzugehen. »Sie hatten keinen Grund, mich zu vergiften, solange ich mich ihrem elektronischen Über­wachungsnetz nicht entzogen habe. Da sie mich ver­giften wollten, muss mir dies aber gelungen sein. Ich habe einen Ort ohne Drähte gefunden.« Ich lache. »Ich glaube, das hat ihnen Angst gemacht.« Die Ereignisse der vergangenen Tage sind völlig unklar, aber dies liegt nahe. Die Gesichtslosen waren mir auf der Spur, und ich wäre ihnen fast entwischt. Eine zufällige Begegnung mit der Polizei hat ihnen geholfen, mich wiederzufinden. Folglich muss ich nur fliehen und beim nächsten Mal auch der Polizei ausweichen, wenn ich endgültig entkommen will.
    Leider kann ich ohne Lucy nicht weggehen. Halten sie meine Freundin als Geisel fest, damit ich nicht davonlaufe? Wo ist sie überhaupt?
    »Sie sollten sich selbst reden hören, Michael«, sagt Vanek und beugt sich vor. »Inkonsistenz ist eine der besten Möglichkeiten, Wahnvorstellungen aufzuspüren. Also denken wir mal nach. Zuerst sind Ihnen die Gesichtslosen auf der Spur, und sobald Sie sich entziehen, beschließen diese Leute, Sie auf ausgesprochen dumme, umständliche Weise zu töten. Woher sollte man wissen, welcher Warmwasserbereiter mit Zyankali geimpft werden musste, wenn man Ihren Aufenthaltsort gar nicht kannte? Und wenn man ihn kannte, warum hat man dann keine neuen Abhörgeräte eingebaut und die Be­obachtung fortgesetzt? Und die wichtigste Frage überhaupt: Wenn diese Leute Sie umbringen wollen, warum hat man Sie nicht einfach beseitigt? Warum geht man so umständlich vor?«
    »Keine Ahnung«, gebe ich zu. »Wenn ich alle Einzelheiten des Plans wüsste, wäre ich sicher an kein Krankenhausbett gefesselt.« Wieder zerre ich an den Riemen, um zu verdeutlichen, was ich meine. »Ich laufe seit Monaten vor diesen Leuten weg. Wie soll ich Sie nur überzeugen?«
    »Warum überwachen die Sie überhaupt, einen arbeits­losen und obdachlosen Niemand?«
    »Ich habe einen Job«, entgegne ich hitzig. »Und ein Zuhause, eine Freundin und alles andere. Ich habe ein ganz normales Leben geführt, aber die Anderen wollen es mir wegnehmen.«
    »Sie haben nichts Bedeutendes getan und verfügen über keine wichtigen Informationen. Sie sind ein Niemand«, wendet Vanek ein.
    »Ich habe etwas, das sie haben wollen.«
    »Gar nichts haben Sie.«
    »Und ob. Das weiß ich genau«, erkläre ich. »Ich glaube, kurz bevor ich verschwunden bin, habe ich etwas entdeckt. Ein Objekt, einen Ort oder auch einen Menschen. Etwas, das sie um jeden Preis geheim halten wollen, doch ich bin darauf gestoßen. Aber jetzt …«
    Vanek beugt sich vor. »Wo ist es denn?«
    »Sehen Sie, ich weiß weder, warum ich mich nicht an alles erinnern kann, noch, was ich besitze. Aber mir ist völlig klar, dass sie es haben wollen, und deshalb sind sie hinter mir her. Ich bin ihnen wichtiger als alles andere auf der Welt.«
    Vanek lächelt. »Narzissmus ist die zweitbeste Möglichkeit, Wahnvorstellungen aufzudecken.« Ich will widersprechen, doch er unterbricht mich mit erhobener Hand. »Paranoide Schizophrenie geht zwangsläufig mit einem starken Glauben an die eigene Wichtigkeit einher – als hätten diese riesigen, ungeheuer intelligenten, weltumspannenden Organisationen nichts Besseres zu tun, als Ihren Fernseher zu überwachen und Ihren Warmwasserbereiter zu vergiften.«
    »Doktor Vanek, Sie müssen mir glauben. Die wollen mich schnappen, weil sie Angst vor mir haben. Ich bin der Schlüssel zu ihrem ganzen Plan, oder ich habe den Schlüssel zu ihrem Plan gefunden, und deshalb wagen sie es nicht, mich aus den Augen zu lassen. Sie fürchten, ich könnte sie aufhalten, aber das ist mir egal. Ich muss sie nicht aufhalten, ich will nur, dass sie mich in Ruhe lassen.« Ich zögere. »Lucy und ich wollen auf eine Farm ziehen.«
    »Das ist nur ein anderer Ausdruck für die Tatsache, dass Ihre Realität einzig und allein in Ihrem Kopf existiert«, stellt Vanek fest. Er fegt meine Einwände hinweg, als hätte ich sie nie formuliert. »Die Gesichtslosen haben keinen wichtigeren Menschen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher