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Die Herren von Everon

Die Herren von Everon

Titel: Die Herren von Everon
Autoren: Gordon R. Dickson
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1
     
    Mikey knurrte.
    Es war kein lautes Geräusch, aber es war laut genug. Als sei das Lichtzeichen an der Wand der Landungsfähre, das anzeigte, man atme jetzt die planetare Luft von Everon, für ihn ein Signal, hatte der halbwüchsige Maolot seinen massigen, löwenartigen Kopf von Jef Robinis Schoß gehoben. Die fest geschlossenen Augen starrten blind ins Leere, und zwischen den halbgeöffneten Kiefern hervor drang ein tiefes Brummen der Aufregung. Wie der Vorgeschmack eines Erbrechens stieg Jef eine traurige Bitterkeit in Kehle und Brust auf.
    „Schsch …“, sagte er leise und schloß die Hand um die mächtigen, offenen Kiefer. „Ruhig …“
    Aber der Schaden war bereits angerichtet.
    In der Fähre, die jetzt, kurz vor der Landung, frei an ihrem Kardanrahmen rotierte, lastete eine neue Stille in der frischen Luft. Zweiundvierzig Passagiere, die meisten davon Everon-Kolonisten der ersten Welle, die von einem Urlaub auf der Erde zurückkehrten, der Rest Erdbewohner, die aus geschäftlichen Gründen nach Everon wollten, hatten ihre Gespräche schlagartig unterbrochen. Jef konnte ihre Gesichter wegen der Abschirmung, die in aller Eile um seine Sitzbank gezogen war und Mikey und ihn einschloß, nicht sehen, aber das war auch gar nicht nötig.
    „Haben Sie das gehört?“ erklang die heisere Stimme eines Mannes durch das Schweigen.
    Eine Pause. Die anderen Stimmen warteten noch.
    „Ich sagte – haben Sie das eben gehört?“
    Wieder Pause.
    „Der Vorstand dieser Raumschiffahrtslinie wird von mir hören“, fuhr die Stimme fort. „Als ob hier nicht schon auf natürliche Weise genug von diesen schädlichen Tieren geboren würden, müssen sie auch noch eines von der Erde importieren und es zusammen mit uns anderen im Passagierabteil herbefördern …“
    Die Stimme verlor sich in einem unverständlichen Murren. Die meisten der heimkehrenden Passagiere hatten von dem Bordfest am Abend zuvor einen Kater, und einige von ihnen waren immer noch betrunken. Es waren keine Leute, wie Jef sie auf einer der neuen Welten erwartet hatte. Nicht diese Leute mit ihrem überreichlichen Gebrauch von irdischen Duftwässern, ihrer Besessenheit von irdischen Moden, ihrer offenbaren Abneigung, über irgend etwas zu sprechen, das mit ihrer neu besiedelten Welt zusammenhing – und vor allem mit ihrem tiefen Haß gegen das Wildleben auf Everon, wie zum Beispiel Mikey.
    Männer und Frauen, alle hatten sie sich von Jef während der ganzen Reise zurückgezogen, auch wenn sie Mikey gar nicht gesehen hatten und nur wußten, daß er aufgrund einer Sondererlaubnis in Jefs Kabine mitreiste.
    Jef blickte jetzt über den Kopf des Maolots hinweg auf die Metalltafel mit Namen und Symbol der Raumschifflinie, die an der Trennwand ihm gegenüber hing. Die traurige Bitterkeit war immer noch in ihm – ein scheußliches Gefühl, das er nur zu gut kannte. Generationenlang war in seiner Familie der Robini-Jähzorn berüchtigt gewesen. Aber Jefs Vater hatte darum gekämpft, seine Familie in den schlimmen Jahren am Leben zu erhalten. Das war in der Zeit gewesen, als aus den USA ein verarmtes Land wurde, dessen Führungsrolle bei der Eroberung des Weltraums dahingewelkt und gestorben war. In einem bankrotten Land, verhungernd aus Mangel an Raumfahrt-Industrien, die ihm einen wirtschaftlichen Wettbewerb mit der übrigen Welt ermöglicht hätten, war Jähzorn ein Luxus, den man sich nicht leisten konnte. Ira Robini hatte beschlossen, daß wenigstens sein jüngerer Sohn sich nicht damit das Leben schwermachen sollte.
    Dem äußeren Anschein nach hatte er sein Ziel erreicht, wenn auch nicht tatsächlich. Normaler Zorn war jetzt so tief in Jef vergraben, daß nur die äußerste Herausforderung ihn erwecken konnte. An seine Stelle war jenes Gefühl getreten, das er in diesem Augenblick empfand und mit dem er die meiste Zeit seiner Existenz gelebt hatte, dieses gräßliche Gefühl trauriger Bitterkeit, das ihn manchmal inwendig zu zerreißen drohte. Er war einsam – aber er verfügte über Selbstbeherrschung.
    Er hatte nicht erwartet, auf diesem Schiff nach Everon so zu empfinden. Nach dem Tod seiner Eltern hatte er geglaubt, er könne von nichts mehr berührt werden. Im Gegenteil, da er endlich mit Mikey nach Everon unterwegs war, ihm die nötigen Mittel zur Verfügung standen und er frei war, mit Mikey die Arbeit zu tun, von der er jahrelang geträumt hatte, war er der Meinung gewesen, diese Reise werde ihm Vergnügen bereiten. Das letzte, was er erwartet
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