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Die Herren von Everon

Die Herren von Everon

Titel: Die Herren von Everon
Autoren: Gordon R. Dickson
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Wasserwirbels – von ihm beherrscht, nicht ihn beherrschend. Dann begann er, zum ersten Mal die wirkliche Macht und Gegenwart der großen, allgemeingültigen Gesetze zu spüren. Es waren die Gesetze einer Lebensphysik, die sich aus der Nacht der Instinkte erhoben, um Erinnerungen wachzurufen, von denen er nicht gewußt hatte, daß sie in ihm vorhanden waren.
    „Bruder Bär … “ hörte er sich selbst murmeln. „Bruder Bär, verzeihe mir. Ich töte dich, damit meine Leute leben können. Bruder Bär, großer Bär, weiser Bär – weiser und größer, als ich es bin – Bär, verzeihe mir, daß ich dich töte, damit ich lebe. Bruder Wisent, verzeihe mir. Wisent, großer Wisent, du bist stärker und mutiger, als ich es bin, aber ich muß dich unterjochen, ich muß dich beherrschen, damit meine Leute leben. Bruder Wisent, still … sei still … steh still, Bruder Wisent, damit meine Leute leben …“
    … Und die großen Gesetze, die alles Leben auf der Erde zusammenbinden, die das kleine, schwache Gebäude des individuellen Willens wie starke Bänder verfestigen, griffen hinüber von jenseits der Geschichte, von jenseits aller Dinge, die der bewußte Verstand kennt, von jenseits des Konzepts der Zeit … Der Wisent wurde ruhig. Panik und Furcht nahmen ab, verschwanden, verwandelten sich in Resignation, in Bereitschaft. Die mächtigen, gewölbten Schultermuskeln verloren die Spannung, streckten sich, erschlafften.
    Das Rote verblaßte im Außenring des Auges, die Iris schrumpfte, und das Bräunlich-Weiße verschwand, als die Augenlider sich wieder senkten.
    Der Wisent stand still, mit Jef durch die unsichtbaren Bande des Lebens verknüpft, die schon existiert hatten, bevor die frühesten Vorfahren beider entstanden waren. Er gehorchte Gesetzen, die das Gegenstück zu den Lebensgesetzen auf Everon waren.
    Langsam löste Jef seine Hände. Er hatte sie so fest im Haar zu beiden Seiten des schweren Tierkopfes verkrampft, daß es ihm Mühe bereitete, die Finger geradezubiegen. Im Tal hielt schmerzende Stille alle Menschen und Tiere in seiner Nähe gefangen, alle Beobachter auf den Abhängen, alle Anwesenden im Amphitheater.
    Jef spürte, daß Jarji dicht neben ihm war. Instinktiv legte er einen Arm um sie und zog sie an sich. Die Stille hielt immer noch an.
    Dann hob eine Maolot-Frau auf einer Felssäule direkt vor ihm ohne Vorankündigung den Kopf. Die mächtigen Kiefer öffneten sich, und das ohrenzerreißende Brüllen der Spezies erschütterte das Tal der Throne. Noch bevor das Echo von der gegenüberliegenden Wand zurückgeworfen wurde, erklang das Brüllen von überall. Es waren nicht die Jagdrufe, sondern es war das volle, rollende Brüllen, das, wie Jef wußte, kilometerweit zu hören war.
    Jetzt brüllten alle die Maolots auf den Säulen, und der Klang, gefangengehalten von den Talwänden und zwischen ihnen hin und her geworfen, war betäubend. Mit Hilfe seiner empathischen Verbindung zu Mikey ließ Jef seinen Blick über die Säulen vor ihm wandern, ging nahe an die Maolots heran – und überall sah er in ihre geöffneten Augen. Sie hatten die Farbe von Saphiren, von Topasen, von Granatsteinen – jedes Augenpaar war anders, und in jedem stand ein Wissen und eine Weisheit, die Jef völlig entmutigt hätten, wäre ihm der Anblick zuteil geworden, bevor er selbst gelernt hatte, mit den großen Gesetzen umzugehen. Denn die Macht dieser Gesetze wurde sichtbar in den Augen der Maolots, und hätte er sie früher erblickt, dann hätte er nie den Mut gehabt, auf die Suche nach dieser alten und ehrfurchtgebietenden Kraft in sich selbst zu gehen.
    Er sah Mikey mit den Augen seines Körpers an und entdeckte, daß Mikeys Augen sich endlich geöffnet hatten und daß auch in ihnen Weisheit lag. Freude überflutete ihn. Er drückte Jarji eng an sich. Will legte seine Arme um sie beide. Rings um sie starrten sich die Kolonisten – ja, sogar die Kolonisten – in atemloser Aufregung an. Sie verstanden es nicht, aber sie nahmen durch das Mark ihrer Knochen das berauschende Gefühl in sich auf, daß alles gut geworden war.
    Jef rief Jarji und Will etwas zu, aber sie schüttelten beide den Kopf. Bei diesem Getöse war nichts zu verstehen. Jef rief noch einmal, nur weil es ihm Freude machte, in seinem Kopf seine eigenen Worte zu hören. Jarji und Will konnte er es später erzählen, wenn Zeit war für alle die Gespräche, die sie unbedingt führen mußten.
    „Jetzt sind wir bereit!“ lauteten die Worte, die er ihnen zugerufen
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