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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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Ihrer Akte, sonst hätten wir ihn längst angerufen. Wir haben die einzige Nummer an­gerufen, die wir dort gefunden haben. Es war jemand namens L. Briggs, doch wir konnten sie nicht erreichen. Handelt es sich bei dieser Person um Ihre Freundin Lucy?«
    »Ja, sie ist meine Freundin«, bestätige ich und erwecke den Eindruck, hilfsbereit zu sein. Ob die Anderen sie schon geschnappt haben? Darf ich sie überhaupt mit hin­einziehen? »Die Telefonnummer weiß ich leider nicht.«
    Doktor Murray zieht die Augenbrauen hoch. »Sie kennen die Telefonnummer Ihrer Freundin nicht?«
    »Ich benutze kein Telefon.«
    »Ah.« Er nickt und notiert sich etwas. »Sollten wir sonst noch jemandem Bescheid sagen?«
    »Nein.«
    Er wedelt leicht mit dem Ordner. »Hier steht, dass Sie mit Ihrem Vater zusammenleben.«
    »Das schon, aber rufen Sie ihn bitte nicht an.«
    »Sollte er nicht informiert werden, dass sein Sohn im Krankenhaus liegt?«
    Ich balle die Faust noch fester zusammen und atme betont ruhig durch. »Bitte … bitte nicht.«
    Doktor Murray denkt kurz nach und nickt. »Wie Sie wünschen.« Er konsultiert ein anderes Dokument. »Hier steht, dass Doktor Little Ihnen nach dem Aufenthalt in Powell Clonazepam verschrieben hat. Haben Sie das Medikament regelmäßig eingenommen, Michael?«
    Ich nicke. »Natürlich, Doktor.« Das ist eine Lüge – ich reiche alle paar Wochen die Rezepte ein, damit niemand Verdacht schöpft, habe das Mittel aber schon seit Monaten nicht mehr eingenommen. Auch wenn ich nicht sicher bin, ob die Pillen ein Teil des Plans sind, will ich kein Risiko eingehen.
    »Ausgezeichnet«, sagt Murray, doch sein Lächeln verfliegt. Er glaubt mir nicht. Fieberhaft überlege ich, womit ich ihn beruhigen kann. Was steht noch in der Akte? Wahrscheinlich wird dort mein Job bei Mueller erwähnt. Der Staat hat mir den Job verschafft. Vielleicht kann ich den Arzt doch noch überzeugen, dass er sich keine Sorgen um mich machen muss.
    »Sie sagten, ich sei bei dem Sturz nicht schwer verletzt worden.« Ich lächle und versuche, völlig normal zu wirken. »Ich muss bald wieder arbeiten gehen. Mister Mueller braucht mich dringend.« Er antwortet nicht, also mache ich weiter. »Kennen Sie Muellers Bäckerei in der Lawrence Street? Die besten Donuts der Stadt. Ich schicke Ihnen gern eine Schachtel, wenn ich wieder dort bin.« Die Arbeit bei Mueller hat mir gefallen. Keine Stempeluhr, keine Computer.
    »Gewiss.« Doktor Murray blättert weiter in der Akte. »Mister Mueller hat Sie als vermisst gemeldet.« Er sieht mich an. »Anscheinend sind Sie seit fast zwei Wochen nicht mehr zur Arbeit erschienen, und er hat sich Ihretwegen Sorgen gemacht. Können Sie uns erklären, wo Sie in den letzten zwei Wochen gesteckt haben?«
    Sie haben sich an Mueller gewandt. Jetzt werde ich nervös und sehe mich wieder um. Keine Maschinen, vielleicht ist das Zimmer tatsächlich sauber.
    »Ich muss jetzt gehen, bitte.«
    »Erinnern Sie sich, wo Sie waren?«
    Ich weiß es nicht. Ich zermartere mir das Hirn, damit mir noch irgendetwas einfällt. Dunkle Häuser, ein dunkles Loch. Ich erinnere mich nicht. Mir ist immer noch übel, als würde ich durch Sirup waten. Hat man mich unter Drogen gesetzt? Noch einmal sehe ich mich um und versuche herauszufinden, was sich hinter dem Bett befindet.
    »Alles in Ordnung, Michael?«
    Ich hebe die Arme, verdrehe den Kopf, bis ich nach oben blicken kann, und zucke zusammen, als hätte mich der Schlag getroffen. Über meiner Schulter hängt die Infusionsflasche, und nur wenige Zentimeter hinter meinem Kopf entdecke ich einen kleinen schwarzen Kasten. Auf der digitalen Anzeige tanzen dünne rote Linien, während die klare Flüssigkeit in den Arm tröpfelt.
    Als ich auf der anderen Seite aus dem Bett springen will, halten mich die Ärzte fest.
    »Ruhig, Michael! Was ist denn los?«
    »Ich muss hier raus«, knirsche ich mit zusammengebissenen Zähnen. Mir wird die Brust schrecklich eng. Ich kratze am Ellbogen, reiße das Klebeband ab und ziehe die Infusionsnadel heraus, ehe man mich aufhalten kann. Der Schmerz schießt mir durch den Arm.
    »Frank!«, sagt Doktor Murray. Der große Mann kommt von der Tür herüber und hält mich an den Schultern fest.
    »Nein!«, rufe ich. »Nein, so ist das nicht! Ich muss nur hier raus!«
    »Halten Sie ihn fest!«
    »Was ist los, Michael?« Murray beugt sich über mich. »Was ist passiert?«
    »Sie verstehen das nicht!«, flehe ich ihn an. »Nehmen Sie das weg. Bitte, schaffen Sie es
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