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Sahnehäubchen: Roman

Sahnehäubchen: Roman

Titel: Sahnehäubchen: Roman
Autoren: Anne Hertz
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1. Kapitel
    G rüß dich, Nina! Erst einmal ein frohes neues Jahr!«, flötet Susanne mir durch den Hörer zu. Scheint super gelaunt zu sein, meine Chefin. Kein Wunder, Kitzbühel soll um diese Jahreszeit schließlich ein echtes Wintermärchen sein.
    »Hallo Susanne. Dir auch ein frohes Neues.« Ich klinge wahrscheinlich nicht ganz so beglückt, was daran liegt, dass ich heute die einzige Menschenseele in der Agentur bin – auserkoren, Stallwache zu halten. Zugegeben, ich hatte sowieso nichts Besseres vor, schon gar nicht etwas annähernd so Glamouröses wie Susannes kleine Spritztour in die Berge. Da kann ich auch ruhig im Büro sitzen und das Telefon dabei beobachten, wie es nicht den leisesten Mucks von sich gibt. Vom Anruf meiner Chefin jetzt mal abgesehen.
    »Bist du denn gut reingekommen?«, erkundigt sie sich.
    »Ja, danke. Ich habe diesmal ganz anders als sonst gefeiert und es ruhiger angehen lassen.«
    »Na, das ist ja nie verkehrt.« Sie fragt nicht weiter nach. Susannes Interesse daran, was ihre Mitmenschen bewegt und was sie treiben, war noch nie sonderlich ausgeprägt – erst recht nicht, wenn es sich bei den Mitmenschen um Mitarbeiter handelt. Heute ist mir das allerdings ganz recht, denn auf eine ausführliche Schilderung meines Jahreswechsels bin ich nicht gerade scharf. Wer gibt schon gerne zu, dass er Silvester mit Schwesterlein und den dazugehörigen Gören auf der Couch verbracht hat? Während Susanne vermutlich mit Champagner, Kaviar und Kerzenschein verwöhnt wurde, gab es bei uns Kartoffelsalat, Bockwürstchen und Bleigießen. Nicht zu vergessen die Silvester-Sondersendung Kika-Tanzalarm auf dem Kinderkanal. Ein traumhaftes Alternativprogramm …
    Aber ich will nicht undankbar sein, denn ohne den Spontanbesuch bei meiner Schwester hätte ich den Abend allein auf dem Sofa verbracht. So ist das eben, wenn man sich als Single nicht frühzeitig um das eigene Festtagsprogramm kümmert. Ich hätte es wissen müssen – schließlich bin ich schon seit drei Jahren auf Solopfaden unterwegs. Was generell kein Problem ist, denn nach dem letzten Totalreinfall genieße ich das Alleinsein: niemand, der mir auf die Nerven geht, niemand, der sich über meine langen Arbeitszeiten beschwert, und niemand, mit dem ich über das richtige Klopapier streiten muss oder darüber, ob wir die Feiertage bei seinen oder meinen Eltern verbringen. Nur die Freizeitplanung ist manchmal etwas tückisch – siehe Silvester. Die meisten meiner Freunde stören sich offensichtlich nicht weiter an Toilettenpapierdiskussionen und stecken daher zum Großteil in Beziehungen, so dass die ehemals wilden Partys mittlerweile von Pärchen-Sit-ins abgelöst wurden, bei denen sie wie siamesische Zwillinge zusammenhocken und sich ihre Urlaubs- und Renovierungspläne fürs nächste Jahr erzählen. »Früher«, erklärte mir eine verpaarte Freundin neulich, »da waren wir ja auch so viel unterwegs wie du, aber jetzt, weißt du …« Sie schenkte mir einen Blick, der deutlich zeigte, dass ich als Single über dreißig für sie nicht mehr in die Kategorie jung, unbeschwert und lebensfroh gehöre, sondern den Stempel exotischer Sonderling verdiene. Wahrscheinlich lud sie mich nur aus Mitleid zu ihrer eigenen Paar-Veranstaltung ein. Und irgendwie schien sie geradezu erleichtert, als ich mit einem freundlichen »Danke, aber nein, danke!« ablehnte. Dann doch lieber zur eigenen Sippe. Meine Schwester guckte ob meines plötzlichen Auftauchens zwar etwas erstaunt, aber immerhin ließ sie mich rein, und meine Nichten und Neffen freuten sich aufrichtig, mich zu sehen. Auf die Familie ist eben Verlass.
    »Gibt’s eigentlich etwas Bestimmtes?«, frage ich Susanne. Kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass sie ihren kostbaren Urlaubstag mit telefonischen Neujahrsgrüßen an die lieben Daheimgebliebenen vergeudet.
    »Muss denn etwas sein, damit ich meine beste Mitarbeiterin anrufe?«, fragt sie betont freundlich. Ein sicherer Beweis dafür, dass es definitiv einen Grund gibt. »Aber sag mal, wenn wir schon sprechen: Ist die Agentur schon Land unter? Oder schaffst du es noch eine Woche ohne mich? Ich würde nämlich gerne noch etwas länger hier unten bleiben.«
    Aha, wusste ich es doch. Ich überlege kurz, ob in meinem Kalender für diese Woche noch ein wichtiger Termin steht, bei dem Susanne dabei sein muss. Aber Fehlanzeige, die Tage nach Silvester sind traditionell ruhig. Und um ehrlich zu sein: Nachdem unser größter Kunde Selfco, ein
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