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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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hinaus!«
    »Was denn?«
    »Den Infusionsständer, den Monitor … was es auch ist. Schaffen Sie es weg!«
    »Beruhigen Sie sich, Michael. Sie müssen uns schon erklären, was los ist.«
    »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt, schaffen Sie das raus!«
    »Doktor Pine.« Murray nickt in die Richtung des Infusionsständers. Die Ärztin lässt das Bein los und rollt den Ständer zur Tür, wickelt den losen Plastikschlauch auf und bringt alles in den Flur hinaus. Das hilft, aber ich spüre immer noch, dass sie mich beobachten. Wissen die Ärzte Bescheid? Sie können es nicht wissen. Keinesfalls, denn sonst wären sie nicht hier. Das bedeutet, dass sie Freunde sind. Ich muss allerdings schnell handeln. Mein Ausbruch wegen des Monitors war zu viel, und ich habe mich auch den Anderen gegenüber ver­raten. Die Frau kehrt zurück. Wir haben nicht mehr viel Zeit.
    »Was ist hier sonst noch?«, frage ich, während ich auf das Kissen zurücksinke. Der Pfleger hält mich weiterhin fest. Nicht wehren – sie müssen mir vertrauen. »Gibt es noch andere Monitore? Computer? Handys?«
    »Michael, wir haben alle Handys, wir sind Ärzte.«
    »Schaffen Sie sie raus.«
    »Bitte, Michael, so beruhigen Sie sich doch!«
    »Das ist wichtig!« Ich schließe die Augen und schätze die Zeit ab. Wie lange bin ich schon hier? Drei Minuten, seit ich aufgewacht bin – auf ein paar Sekunden soll es nicht ankommen. Aber wer weiß, wie lange ich vorher bewusstlos hier gelegen habe. Wie lange noch, bis die Anderen auftauchen?
    Ich habe keine Zeit für Spielchen, und es sind zu viele Menschen im Raum – ich könnte sie nicht überwältigen. Ich muss ihnen die Wahrheit sagen und das Beste hoffen. Also hole ich tief Luft. »Ich erkläre Ihnen alles, aber erst wenn der Raum sauber ist. Keine elektrischen und elektronischen Geräte, egal, welcher Art.«
    Doktor Murray nickt wissend, als hätte er so etwas schon einmal gehört. Ich bin einfach nur ein Verrückter. »Warum haben Sie Angst vor elektrischen und elektronischen Geräten, Michael?«
    Es ist genau das Gleiche wie im letzten Jahr – genau die gleichen überheblichen Annahmen, die mir den Aufenthalt in der Psychiatrie eingebrockt haben. Sobald das System beschließt, dass man verrückt ist, kann man nicht mehr viel tun, um sich dagegen zu wehren. »Schaffen Sie die Handys raus.«
    Murray mustert mich kurz, wirft den Kollegen einen Blick zu und hebt die Schultern. »Nun gut, Michael, wenn Sie sich damit besser fühlen. Aber dann müssen Sie mit uns reden.«
    »Beeilen Sie sich.« Es darf nicht allzu verzweifelt klingen. Murray sammelt die Handys ein, bringt sie nach draußen und kehrt gleich darauf zurück. Er will etwas sagen, doch ich komme ihm zuvor. »Hören Sie mir genau zu, Sie alle, denn ich weiß nicht, wie viel Zeit wir haben. Es tut mir sehr leid, dass Sie mit hineingezogen werden, aber ich werde von einigen hochgefährlichen Leuten verfolgt und muss hier so schnell wie möglich weg. Diese Leute können mich und jeden anderen Menschen mithilfe elektrischer und elektronischer Geräte aufspüren: Computer, Handys, Fernseher, Radios, was auch immer. Ich weiß, es klingt unglaubhaft, aber Sie müssen mir vertrauen. Kann man das Fenster dort öffnen?«
    Murray nickt schon wieder. »Ruhig, Michael, immer mit der Ruhe …«
    »Sie verstehen mich nicht«, sage ich. »Die werden jeden Augenblick hier sein. Hören Sie, wenn das Fenster nicht geöffnet werden kann, fliehen wir über den Flur, aber wir müssen uns von allem fernhalten, was gefährlich werden könnte. Selbst auf Nottreppen gibt es meist Kameras, und wir dürfen nicht riskieren …«
    »Bitte, Michael, niemand verfolgt Sie.«
    »O doch, sie verfolgen mich«, wende ich ein. »Es sind gesichtslose Männer, die uns über Handys, mit Computern oder mit allem orten können, was ein Signal sendet oder empfängt. Hinter Ihnen sind sie nicht her, deshalb müssen Sie nicht mitkommen. Aber lassen Sie mich einfach hinaus und …«
    »Der Wellnesskiller«, sagt die Frau, und ich blicke auf und erkenne, dass alle vier Ärzte und der Pfleger zurück­gewichen sind.
    Ich sehe mich um. »Was für ein Killer?«
    »Sie sprachen von Gesichtslosen«, antwortet die Frau. »Meinen Sie damit, dass die Gesichter … zerstört sind?«
    »Nein.« Ich wende mich wieder an die Männer und beobachte das Mienenspiel. Was denken sie? »Nein, so ist das nicht gemeint. Sie sind buchstäblich gesichtslos. Keine Augen, keine Nase, kein Mund, nichts … einfach nur leere
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