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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst
Autoren: Dan Wells
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Flächen.« Ich streiche mir mit der Hand über das Gesicht, um es ihnen zu erklären. Sie starren mich an, und ich schöpfe Hoffnung.
    »Das ist mehr als eine Angststörung«, erklärt einer der Ärzte, und die Kollegen nicken einträchtig.
    »Ich bin nicht verrückt«, wende ich ein.
    »Hirnschaden?«, fragt einer. Sie sprechen nicht einmal mehr mit mir.
    »Könnte sein«, überlegt der Dritte. »Oder es ist rein psychisch. Schizophrenie?«
    Die Frau beäugt mich misstrauisch. »Letzte Woche hatten wir auch schon so einen. Wir dürfen kein Risiko eingehen.«
    Ich beginne so stark zu zittern, dass ich kaum noch atmen kann. »Bitte … worüber reden Sie da?«
    Doktor Murray hält inne, betrachtet mich nachdenklich und flüstert einem anderen Arzt etwas ins Ohr, der daraufhin hinausgeht. Murray tritt an mein Bett. »Michael, ich muss Ihnen eine Frage stellen, und Sie müssen mir so überlegt und aufrichtig antworten, wie es Ihnen nur möglich ist.« Er legt eine kurze Pause ein, und ich blicke zur Tür. Wohin ist der andere Arzt verschwunden? Was oder wen soll er holen?
    Doktor Murray starrt mich an. »Haben Sie irgendwo schon einmal Tote gesehen, deren Gesichter zerstört waren?«
    »Warum fragen Sie dauernd danach? Wo sollte ich so etwas gesehen haben?«
    »Können Sie sich erinnern, wo Sie in den letzten zwei Wochen waren?«
    »Nein«, erwidere ich. »Ich erinnere mich an rein gar nichts! Sagen Sie mir, was hier los ist!«
    Doktor Murray tauscht Blicke mit den anderen Ärzten, dann sieht er wieder mich an. »Haben Sie schon einmal etwas von dem Wellnesskiller gehört?«
    Ich erschrecke. »Ja, schon.« Den Namen kenne ich zwar, aber ich weiß so gut wie nichts über ihn. Irgendein Serienmörder. Auf einmal habe ich ein flaues Gefühl in der Magengrube, was nicht nur mit dem Mörder, sondern vor allem mit den Mienen der Ärzte zu tun hat, die mich beobachten. Sie sind nervös und fürchten sich.
    Sie fürchten sich vor mir.
    »In den letzten acht Monaten hat der Wellnesskiller im Großraum Chicago mindestens zehn Menschen umgebracht«, erläutert Doktor Murray. »Niemand weiß, wer er ist, aber er ist ständig in den Nachrichten. Sind Sie sicher, dass Sie noch nie von ihm gehört haben?«
    »Ich sehe nicht fern.« Dabei blicke ich zu dem dunklen Apparat an der Wand hinüber. Kann mich das Gerät beobachten, obwohl es ausgeschaltet ist? »Warum fragen Sie mich danach? Was hat das mit mir zu tun? Und warum haben Sie solche Angst?«
    »Michael, wenn Sie die Nachrichten gesehen hätten, dann wüssten Sie es. Wenn der Killer jemanden tötet, dann … dann verstümmelt er sein Opfer.« Er runzelt die Stirn und überlegt kurz, ehe er fortfährt. »Er tötet sie und schält ihnen das Gesicht ab – die Haut, die Muskeln, sogar die Knochen.«
    Da haben wir es. Da draußen läuft ein Killer herum, es gibt irgendeinen unklaren Zusammenhang, und sofort schlägt mir das Misstrauen entgegen wie eine Flutwelle. Ich bin noch derselbe Mensch wie gerade eben und habe mich doch in ihren Augen verändert – ich bin nicht mehr der Patient, der nach einem Sturz aufgenom­men wurde, sondern ein instabiler Psychopath und vielleicht sogar ein Mörder.
    »Ich habe nichts Unrechtes getan«, antworte ich vorsichtig.
    »Das behaupten wir auch nicht.«
    »Sie haben damit angefangen, weil Sie glauben, ich sei der Täter.« Ich muss hier raus. Ich muss weglaufen, bevor sie es noch weiter treiben.
    »Wir glauben überhaupt nichts, Michael. Niemand hat Ihnen irgendetwas vorgeworfen …«
    Ich fahre auf, was sie völlig überrascht, schaffe es aber nicht einmal halb aus dem Bett, ehe mich der Pfleger packt. Die Ärzte sind sofort zur Stelle. Ich kämpfe wie ein Löwe und trete wild um mich. Es knirscht, und einer der Ärzte grunzt und stürzt, weil ich ihn mit dem Fuß getroffen habe. Jetzt schreien alle nach Schwestern und Beruhigungsmitteln, während ich nichts weiter tun kann, als in den Arm zu beißen, den mir jemand fest um die Brust geschlungen hat.
    »Wo bleibt das Geodon?«
    »Frank, verdammt, halten Sie ihn unten!«
    Einer lässt los, und ich komme auf die Beine, habe mich fast von den Ärzten befreit, aber dann dreht mir plötzlich jemand den Arm um und renkt mir beinahe die Schulter aus. Ich heule vor Schmerzen auf und gehe wimmernd in die Knie. Außer dem Arm nehme ich überhaupt nichts mehr wahr.
    Inzwischen ist der Raum voller Menschen. Ich spüre, wie sie mich hochheben und wieder aufs Bett legen, dann folgt ein Einstich im Arm. Sie
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