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DU HÖRST VON MIR

DU HÖRST VON MIR

Titel: DU HÖRST VON MIR
Autoren: Luis Algorri
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ihrem Handtuch halb weggeschlummert.
    »Ich werde mich mal ein bisschen mit deinem Bruder beschäftigen«, sagte ich zu ihr.
    »Was?«
    »Ich gehe mal deinen unsympathischen Bruder etwas ärgern, warte auf mich.«
    »Na gut, weck mich, wenn du es leid bist, was bestimmt nicht lange dauert. Es gibt auf der Welt garantiert nichts Langweiligeres als diesen Typen«, murmelte Ana.
    Ich stellte mich an die Umzäunung des Tennisplatzes, so dass er mit dem Rücken zu mir stand. Ich wartete, bis er nacheinander drei Bälle verschlagen hatte.
    »Du bewegst dein Handgelenk nicht richtig«, rief ich.
    Er drehte sich um und sah mir in die Augen. Wieder traf mich dieser mürrische Blick.
    »Sag bloß, du spielst Tennis?«
    »Etwas kann ich dir schon beibringen, denke ich.«
    Er war einen Moment lang unentschlossen.
    »Und hast du denn deinen Schläger hier?«, fragte er.
    Ich grinste mit den übelsten Hintergedanken.
    »Gib mir fünf Minuten.«
    Ich brauchte drei. Als ich in kurzen weißen Shorts, Polohemd und mit meinem Schläger bewaffnet zurückkam, übte er wieder Aufschläge. Ich stellte mich auf die andere Spielfeldseite. Es war offensichtlich, dass er sich unwohl fühlte und bemüht war, zumindest ein wenig Freundlichkeit zu zeigen.
    »Schaffst du ein paar Sätze?«, fragte ich ihn.
    »Wenn du willst, spielen wir ein paar Bälle, einfach so, damit du dich aufwärmen kannst«, sagte er mit einem geringschätzigen Lächeln.
    »Nicht nötig«, gab ich etwas spitz zurück, »und außerdem –
    wenn ich sehe, wie du dein Handgelenk bewegst, lass ich dir gern den Aufschlag.«
    »Na vielen Dank auch!«
    Er begann mit zwei aufeinander folgenden Doppelfehlern, aber bald verlor er seine Nervosität. Die Spiele waren lang und ausgewogen. Ich hatte den besseren Aufschlag und die besseren Returns, dafür waren seine Volleys tödlich und – sei es aus Glück oder aus Berechnung – platzierte er eine beschämende Zahl von Bällen zwei Zentimeter vor der Linie. Ich hatte mir meine Strategie genau überlegt und lachte jedes Mal frech, wenn er einen Fehler machte. Bis er wütend wurde und das Spiel unterbrach.
    »Worüber lachst du eigentlich die ganze Zeit?«, wollte er wissen.
    »Über dein schlechtes Spiel.«
    »Ich bin eigentlich gerade dabei zu gewinnen.«
    »Ich lasse dich gewinnen, was nicht dasselbe ist«, entgegnete ich.
    »Das ist ja wohl eine Lüge! Ich mach dich platt, das sieht doch jeder!«
    »Ach ja? Na dann pass mal auf.«
    Ich machte drei Aufschlagpunkte nacheinander. Das darauf folgende Spiel gewann er zu Null. Den ersten Satz gewann er Acht zu Sechs. Als er den zweiten Satz gewonnen hatte, waren wir beide völlig durchgeschwitzt. Ich ließ meinen Schläger sinken, ging zum Netz und reichte ihm die Hand. Er  kam mir entgegen. Das war das allererste Mal, dass ich ihn lächeln sah. Wenn er in seiner Ernsthaftigkeit schon reizend, auf beunruhigende Weise reizend war, so verwandelte ihn sein Lächeln in einen jungen Gott.
    »Ich entschuldige mich bei dir«, sagte ich. »Du hast mich tatsächlich geschlagen und spielst wirklich besser als ich.
    Glückwunsch!«
    Er drückte mir die Hand und lächelte.
    »Ach was! Du spielst echt gut. Ich hab einfach Glück gehabt, mir gingen die Bälle leicht von der Hand. Glaub bloß nicht, dass mir alles so leicht fällt...«
    Ich schluckte. Es war offensichtlich, dass er nicht das meinte, was ich verstand, aber... Ich sprang mit einem Satz über das Netz, strubbelte ihm einfach durch die Haare und legte meine Hand auf seine schweißnasse Schulter.
    »Ich glaube, was wir jetzt brauchen ist eine Dusche, oder?«
    »Einverstanden.«
    Ana saß auf dem Handtuch und rauchte. Sie machte große Augen, als sie uns gemeinsam auf sich zukommen sah. Meine Hand lag immer noch auf Josés Schulter.
    »Dein nichtsnutziger Bruder hat mich in zwei Sätzen platt gemacht.«
    »Hör nicht auf ihn«, murmelte José nun wieder finster dreinblickend. »Er hat mich gewinnen lassen.«
    »Stimmt doch gar nicht! Er hat mich nach Strich und Faden fertig gemacht. Aber die Revanche wird kommen, Kleiner.«
    »Und jetzt? Wo wollt ihr hin?«, wollte Ana wissen.
    Ich wartete und ließ ihn antworten.
    »Wir gehen duschen.«
    Ana seufzte und streckte sich wieder auf dem Handtuch aus mit der Geste eines Menschen, der davon überzeugt ist, dass die Welt mit so vielen Verrückten nicht mehr zu retten ist.
    »O.k., o.k…. Und du Brüderchen, könntest auch mal wieder ein bisschen am Schreibtisch sitzen und lernen, anstatt hier
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