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DU HÖRST VON MIR

DU HÖRST VON MIR

Titel: DU HÖRST VON MIR
Autoren: Luis Algorri
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Schwimmbad rum, statt seine Nase in die Bücher zu stecken. Und es sind nur noch anderthalb Monate bis zu seinen Prüfungen«, ereiferte sich Ana.
    Ich hob den Kopf.
    »Wer?«
    »Klar, er weiß, dass Mama heute nicht kommt, und gleich nutzt er's aus.«
    »Von wem redest du eigentlich?«, fragte ich, immer noch etwas benommen.
    »Von José, meinem Bruder! Siehst du ihn denn nicht?«
    »Nein, wo denn?«
    »Hier vorn, bei denen, die gerade Richtung Becken gehen.
    Der, mit der blauen Badehose«, Ana deutete mit dem Kopf in die Richtung.
    Ich spürte eine Art Kälte im Bauch. Ernst wie immer ging er mit gesenktem Kopf und nackten Füßen an uns vorbei über die Wiese, mit kurzen Schritten, ohne Eile. Die Bräune seiner Haut ließ erkennen, dass dies nicht der erste Nachmittag war, an dem er hier herumlümmelte, wie Ana sich ausdrückte. Die zu langen Arme zeigten, dass er gerade dabei war, der Pubertät zu entwachsen, fast unbehaart, ohne markante Muskeln, außer denen, die sich leicht an Oberarmen und Brust abzeichneten. Diese Schlaksigkeit wurde durch seine Badehose noch betont. Die Hose aus meerblauem Nylon, ähnlich jenen, wie sie Schwimmer tragen, war ihm etwas zu groß. Sowohl der Spielraum, als auch die Nachlässigkeit, das Band nicht zuzubinden, und vor allem das offensichtliche Gewicht dessen, was sich vorne in der Badehose verbarg, trugen dazu bei, dass die scheue Linie kleiner Härchen, die sich vom Bauchnabel herunterzog, bis zu dem Punkte sichtbar wurde, wo der Beginn der Schamhaare zu vermuten war. Als er uns den  Rücken zudrehte, konnte ich durch den Stoffseiner Badehose einen kleinen festen Po erahnen, der sich unter dem blauen Nylon schüchtern, aber geschmeidig bewegte.
    »Ist dir nicht gut?«
    »Was?«, ich fuhr zusammen.
    »Du schwitzt und bist auf einmal so blass geworden. Ist dir schlecht?«, fragte Ana besorgt.
    »Mir? Mir geht's blendend! Es ist nur einfach tierisch heiß.«
    »Na komm her, leg dein Handtuch hier hinten hin, in den Schatten«, sagte Ana fürsorglich.
    »Ja gleich. Lass mich erst mal richtig wach werden. Ich war ganz weggedöst und habe geträumt, ich wäre eine Schildkröte in der Sonne. Und wir Schildkröten bewegen uns nur gaaanz langsam.«
    Ana lachte, stand auf und legte unsere Taschen ein paar Schritte weiter in den Schatten. Ich erhob mich nach ein paar Minuten und wickelte mich sogleich in mein Handtuch ein, um keine Erklärungen über den seltsamen Zustand meiner eigenen Badehose geben zu müssen.

    Ich begann, ihn zu belauern. An den Nachmittagen, an denen er im Schwimmbad auftauchte, tat er immer dasselbe: Er ging direkt zu den Umkleidekabinen und kam mit seiner blauen Badehose bekleidet und mit einem Handtuch über der Schulter wieder heraus, ging dann eine Weile mit seinen Freunden auf die Liegewiese, schwamm danach ein wenig und spielte abschließend ein bisschen Tennis, wenn er einen Spielpartner hatte. Zum Abschluss ging er meist noch einmal schwimmen, um dann nach einem letzten Sonnenbad und  dem Umkleiden (seine blaue Badehose verschwand jedes Mal wie eine Sternschnuppe auf der Treppe zu den Umkleidekabinen), aufzubrechen. Ganz selten grüßte er uns, indem er ein wenig die Hand hob, aber nur, wenn Ana ihn anschaute.
    »Was hat dein Bruder eigentlich gegen mich?«, fragte ich sie einmal.
    »Gegen dich? Welcher Bruder?«, wollte Ana erstaunt wissen.
    »José.«
    »Er hat was gegen dich? Aber wieso sollte dieser Taugenichts was gegen dich haben? Er kennt dich doch überhaupt nicht!«
    »Eben. Deswegen ja.«
    »Ach was, er ist einfach nur ein Schwachkopf. Und außerdem ziemlich schlecht erzogen. Und überhaupt: Es kann dir doch völlig egal sein, ob er was gegen dich hat!«
    Ich hatte meine Reaktion schon vorbereitet: »Na, ich sollte doch anfangen, mich mit deiner Familie gut zu stellen, oder nicht...?«
    Ana lachte schallend und strubbelte mir durch die Haare.
    »Du bist mir ja vielleicht einer!«

    Es fiel mir schwer, es mir einzugestehen, aber ich begann, schlecht zu schlafen.
    Ich beschloss, ihn zu provozieren. Eines Nachmittags sah ich ihn zum Tennisplatz rüberschlendern, allein, mit seinem Schläger und zwei Dosen Bällen. Er trug ein weißes Poloshirt. Es war noch nicht einmal zwei Uhr und aus dem Zenit brannte die Sonne wie Feuer. Er stellte sich auf die eine  Spielfeldseite und begann, Aufschläge zu üben. Wenn er keine Bälle mehr hatte, wechselte er die Seite, sammelte sie auf und begann von neuem. Er war gar nicht so schlecht. Ana war neben mir auf
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