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Du denkst, du weißt, wer ich bin

Du denkst, du weißt, wer ich bin

Titel: Du denkst, du weißt, wer ich bin
Autoren: E Bailey
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brauchst ihn nicht zurückzugeben«, sagte ich. Meine Stimme wurde immer ganz hoch und seltsam, wenn ich stammelte. »Er gehört zu den Mercury -Fundsachen. Ich jobbe hier. Es ist bloß ein winziges Kino – wahrscheinlich weit kleiner als alle, in die du in Europa gegangen bist. Das heißt, wenn du überhaupt ins Kino gegangen bist. Du warst sicher damit beschäftigt, in die Oper oder ins Theater zu gehen, oder was immer man da drüben so macht …«
    Ami sah mich warnend an, und ich schaffte es, endlich mit der Stotterei Schluss zu machen. Dann, mit einem Schritt vorwärts, bot ich Miranda den Schirm an und hielt ihn hoch wie einen Strauß Blumen. Oder ein Schutzschild.
    »Das ist nahe genug!«, schnappte Oona. Ihre Stimme wurde plötzlich ganz schrill. Sie machte mich schrecklich nervös. Was denkt sie denn bloß, was ich ihrer ach so kostbaren Großnichte antun will?
    »Miranda, bitte. Nimm einfach den Schirm. Schnell.«
    Miranda streckte die Hand aus, und ihre Finger schlossen sich um den Griff, genau unter meiner Hand. Ihre Armmuskeln spannten sich an, als ob sie all ihre Kraft aufwenden müsste, den Schirm zu halten.
    Mit der stimmt was nicht , dachte ich. Die ist doch krank .
    Der Wind peitschte und bespritzte Mirandas Arm mit Regentropfen. Ein Auto fuhr vorbei, und plötzlich fiel Licht auf ihren Arm. Ich konnte nur noch starren. Die Haut, die mit dem Wasser in Berührung gekommen war, hatte nicht denselben Farbton wie der Rest des Arms. Wie die Haut einer völlig anderen Person.
    Das Wasser bildete Tröpfchen und lief ab, dabei blieb eine weißliche Schliere. Make-up. Das ist alles . Aber wer schmiert sich Foundation auf den Arm?
    Mit einer ruckartigen Bewegung streckte Oona einen Handschuh vor und zog an Mirandas Ärmel. »Jetzt komm , Miranda«, sagte sie nervös und packte sie am Arm. »Wir müssen nach Hause. Jetzt.«
    Mirandas Mund verzog sich an beiden Winkeln. Vielleicht sollte das ein Lächeln darstellen. Dann drehte sie sich um und trieb im Kielwasser ihrer Großtante davon, vom Wind getrieben, den Schirm hoch erhoben.

DREI
    In der nächsten Woche waren Fotos der neuen Schüler im Jubilee-Park-Highschool-Blog gepostet. Ich hatte mir fest vorgenommen, diesen Haufen merde nie mehr anzusehen, aber dann schaute ich doch ganz kurz nach, ob er irgendwelche Informationen über Miranda enthielt. Wie gewöhnlich stand da nur derselbe alte Mist. Lebte in Übersee. Neu in unserer Gemeinde . Es gab ein Foto, aber die Auflösung war so schlecht, dass ich Miranda, hätte ihr Name nicht darunter gestanden, gar nicht erkannt hätte.
    Es gab auch ein Foto von dem Neuen. Der mit dem spöttischen Lächeln. Den ich seit diesem ersten Mal, wenn möglich, nicht mehr ansah. Ich überflog seinen Eintrag äußerst flüchtig, trotzdem fiel mir sein Name ins Auge. Lachlan Ford.
    Zu diesem Zeitpunkt hatten alle längst das Interesse an Miranda verloren. Die Gerüchte, die Verdächtigungen, der ganze Hype bei ihrer Ankunft – kein Hahn krähte mehr danach. Das heißt, mit Ausnahme von Ami und mir. Wir sahen Oona jeden Morgen in ihrem käferartigen Auto vorfahren, immer kurz bevor es klingelte. Wir beobachteten, wie Miranda einer Wolke gleich ins Klassenzimmer wehte. Während der Stunden saß sie ganz hinten, neben mir. Vollkommen still und regungslos. Miss Falippi rief sie nie auf. Manchmal warf sie zwar einen Blick auf Miranda, aber dann überschattete ein unsicherer Ausdruck ihr Gesicht und sie blickte wieder weg.
    Und wir beobachteten Miranda während der Pausen, wie sie immer auf der Bank am hinteren Zaun saß. Die Augen halb geschlossen. Die Handflächen im Schoß gefaltet. Betete sie? Fotosynthesierte sie vielleicht? Sie aß nie etwas.
    »Geh und sprich mit ihr«, drängte Ami manchmal. »Sie ist so allein.«
    Ich fand immer eine Ausrede. Ich glaube, sie möchte lieber allein sein. Sie ist keine große Rednerin .
    »Sie ist nur neu«, sagte Ami. »Es ist bekackt, neu zu sein.«
    Aber ich wollte Miranda observieren, alles über sie herausfinden, und wenn man das tun will, muss man sich im Hintergrund halten. Nur dass ich mich manchmal so fühlte, als würde sie mich observieren.
    Dann, während einer Mittagspause, saß Miranda plötzlich nicht auf ihrer Bank. Ich spürte dieselbe Verwirrung wie damals, als das Container-Klassenzimmer auf den Sportplatz umgesetzt wurde. Ich wusste, es konnte sich bewegen. Ich hatte nur nicht damit gerechnet.
    Die ganze restliche Pause war ich zerstreut. Mein Schädel hatte angefangen zu
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