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Martha's Kinder

Martha's Kinder

Titel: Martha's Kinder
Autoren: Bertha von Suttner
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l.
    »Es lebe die Zukunft!«
    Mit diesen Worten schloß Graf Rudolf Dotzky seine Tafelrede. »Und aus diesem Glase,« fügte er hinzu, indem er den Champagnerkelch an die Wand warf, daß er klirrend zerschellte, »darf kein anderer Trunk mehr gemacht werden, und heute, zu meines Erstgeborenen Tauffest, soll auch kein anderer Toast mehr gesprochen werden als dieser: Es lebe die Zukunft! Nicht unserer Vätersväter – wie die alte Phrase lautet – wollen wir trachten, uns würdig zu zeigen, sondern unserer Enkelsöhne ... Mutter« unterbrach er sich – »was ist Dir? ... Du weinst? ... Was siehst Du dort?«
    Baronin Martha Tilling hatte ihre großen schwarzen Augen, die so seltsam von dem weißen Haare abstachen, und aus welchen ihr jetzt zwei große Tränen über die Wangen rannen, starr nach dem Garten gerichtet, der vor der offenen Terrassentür lag.
    Was sie dort sah, war ein Halluzinationsbild, das oft in ihren Träumen auftauchte: ein alter Mann – ihr Mann, der im Abendsonnenschein mit einer Gartenschere Rosenbäumchen stutzt.
    Sie hatten einst, die glücklichen jungen Eheleute, von ihrer fernen Zukunft gesprochen: »Weißt Du, Martha, wenn ich einmal über die Siebzig bin und für das Weltgetriebe nicht mehr tauge, da werde ich mich meiner Liebe zu den Blumen hingeben und Gärtnerei betreiben.« – »O, ich sehe Dich vor mir, ein Hauskäppchen – nicht etwa von mir gehäkelt, derlei grauenvolle Arbeiten mache ich nie – ein Hauskäppchen auf den Silberlocken, in der Hand eine Gartenschere, mit der Du die welken Blüten von den Rosenstämmen trennst.« – »Ja – und Du sitzest auf der Gartenbank – ein duftiges Spitzentuch auf Deinem ebenfalls schon gebleichten Haar geschmackvoll gesteckt – denn kokett wirst Du immer bleiben –; in der Hand – also keine Häkelei, sondern das noch geschlossene Buch, aus dem Du mir später vorlesen wirst, und lächelnd siehst Du meiner Arbeit zu ... Wir werden ein glückliches altes Paar sein, Martha!«
    Diese Vorstellung hatte sich ihr so eingeprägt, daß sie sich in ihren Träumen wie ein Erlebnis zu wiederholen pflegte. Achtzehn Jahre schon war sie verwitwet und immer noch, wenn sie von ihrem verlorenen Friedrich träumte, sah sie ihn lebend vor sich; meist so, wie er in der Brautzeit gewesen, und manchmal auch in jener Gestalt, die nur in beider Phantasie entstanden war.
    An diesem Tage, beim Tauffest ihres Enkelkindes, als Rudolf in seinem Trinkspruch gesagt: »Ja, Mutter, dieses Glas bringe ich dem Andenken Deines ewig Geliebten und ewig Betrauerten, dem auch ich alles verdanke, was ich denke und was ich bin« – da war ihr furchtbar weh ums Herz geworden. Sie saß der offenen Fenstertür gegenüber. Die Strahlen der untergehenden Sonne umwoben einen Rosenstrauch mit zittergoldigem Dunst und davon sich abhebend – ihr Traumbild: sie sieht die Gartenschere flimmern, das weiße Haupthaar glänzen ... »Nicht wahr,« lächelte er zu ihr herüber, »wir sind ein glückliches altes Paar?«
    Durch Rudolfs Frage aufgeschreckt, trocknete sie rasch ihre Augen und erhob sich.
    Sie nahm den Arm ihres Nachbarn zur Rechten – Ritter von Wegemann, Minister a. D., im Hause unter dem Spitznamen »Minister Allerdings« – oder eines neuerlich angenommenen Gewohnheitswortes wegen – »Minister Andrerseits« bekannt.
    Man begab sich in den anstoßenden Salon. Es war nur eine kleine Tischgesellschaft gewesen: Außer den schon Genannten Rudolfs Halbschwester Sylvia – der Mutter lebendes Jugendbild; Gräfin Lori Griesbach, Rudolfs Schwiegermutter; Doktor Bresser, der langjährige Freund des Hauses und sein Sohn Hugo Bresser; Graf Anton Delnitzky, der junge Pate des Täuflings; Oberst Baron Schrauffer, ein alter Anbeter Gräfin Loris und der Ortspfarrer, Pater Protus.
    Sylvia schenkte den schwarzen Kaffee in die Schalen und reichte diese den Gästen.
    Jede Bewegung der schlanken, geschmeidigen Gestalt atmete Anmut; auf dem rosigen Gesichtchen lag ein Schein von gehobener Glücksstimmung.
    Martha und Lori nahmen auf einem kleinen Eckdivan Platz, während die Herren in der Nähe Sylvias blieben.
    »Also wirklich,« sagte Gräfin Griesbach, »der Toni Delnitzky hat sich erklärt? Da gratuliere ich ... Und darf man schon laut – –?«
    »Nein, nein, ich bitte Dich! ... Sylvia hat mir die Sache auf dem Wege von der Kirche mitgeteilt – erst morgen wird er bei mir um ihre Hand anhalten. Erst dann, bis ich ja gesagt habe, kann die Verlobung verkündet werden – wenn ich ja
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