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Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom

Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom

Titel: Sarah Pauli 03 - Tod hinter dem Stephansdom
Autoren: Beate Maxian
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1
    DIE KÜNSTLERIN
    S ie führte ihn zum Bett.
    Sein Blick glitt gierig über ihren nackten Körper, während sie die Hand- und Fußfesseln zuschnappen ließ. Mit wenigen Handgriffen zurrte sie die Lederbänder an einer Leiste am Bettrand fest.
    » Gleich « , flüsterte sie ihm ins Ohr. In Gedanken beschimpfte sie ihn als alten geilen Bock. Sie griff nach dem Seidenschal, der neben dem Polster lag, und verband ihm die Augen.
    » Jetzt « , fuhr sie flüsternd fort. Sanft berührte sie sein steifes Glied, zog die Vorhaut zurück und trug das weiße Pulver auf die Eichel auf. Dann stülpte sie das Kondom darüber.
    » Spürst du’s? « Sie setzte sich rittlings auf ihn.
    Er seufzte zufrieden.
    Sie stöhnte, um ihn glauben zu lassen, dass sie es genoss, auch wenn das Gegenteil der Fall war. Es dauerte eine Weile, bis eine zuckende Welle seinen Körper durchlief und sein lustvoller Schrei die Wohnung erfüllte.
    Schließlich tat sie, wozu sie gekommen war.
    Sie sah ihn sterben.
    Es geschah lautlos.
    Er krampfte nicht vor Schmerzen, brüllte nicht in Todesangst.
    Er bewegte nur leicht den Kopf. Hin und her.
    Es verlief unmerklich. Unspektakulär. Simpel. Es funktionierte besser als sie dachte. Das Messer in der Tasche kam nicht zum Einsatz. Das Resultat ihres ersten Werkes konnte sich sehen lassen.
    Die Bestie ist tot.
    Die Botschaft war zugleich Titel.
    Zufrieden blickte sie auf ihr lebloses Kunstwerk, betrachtete es als kraftvolles Instrument der Aussage. Differenziert interpretiert war es nichts anderes als eine grausame Offenlegung. Das trostlose Ergebnis eines aussichtslosen Kampfes. Jede Künstlerin – und als solche bezeichnete sie sich – hatte eine Art Handschrift, eine Diktion, eine Mitteilung.
    Visuelle Kommunikation.
    Die Kunstbände in ihrem Bücherregal, in denen Epochen und Stile, die Dynamik, die Bewegung und die Perspektive der Kunst erklärt wurden, nahmen mehrere Fächer in Anspruch.
    Sie ging einen Schritt zurück, legte ihren Kopf schräg und begutachtete ihr Werk. Der tote Mann, der vor ihr lag, hatte etwas Ästhetisches.
    Jahrelang hatte sie damit zugebracht, Kunstwerke verstehen zu lernen. Die Technik, das Thema, den kulturellen und historischen Kontext.
    Sie begann, ihr Kunstwerk zu beschreiben.
    Eine Kreatur. Sie lag auf dem Rücken, unübersehbar das nach links gekippte kümmerliche Geschlecht, die Beinmuskulatur, der Bauchansatz. Die Beine gestreckt, weit auseinandergestellt, wie mit dem Lineal gezogen. Selbst ein Laie konnte die Unnatürlichkeit dieser Stellung deutlich erkennen. Die Haltung sollte aggressives Selbstbewusstsein bekunden. Im Augenblick erzwangen die Fesseln die Pose. Die Körperbehaarung war natürlich ergraut. Die Arme über den Kopf nach oben gedehnt, leicht angewinkelt.
    Lässig. Maskulin. Ein echter Kerl.
    Das Ausdrucksmittel.
    Der Mann.
    Opfer seiner Begierden.
    Die Farben waren perfekt aufeinander abgestimmt. Blasser Körper auf hellgrüner Unterlage. Sie hatte Talent, Dinge anzuordnen. Der Lichteinfall störte. Eine abscheuliche Deckenleuchte strahlte von oben auf den Toten herab. Sie drehte die Tischlampen auf den Nachttischen an und schaltete die Leuchte an der Decke ab. So war es schon besser.
    Sie fand, dass das Bild einem impressionistischen Gemälde glich.
    Es zeigte das Wesentliche: die Farbe, die Form, den Tod.
    Minutenlang ruhte ihr Blick auf dem reglosen menschlichen Körper.
    Dass die Polizei das Meisterwerk hinter der Fassade des Todes erkannte, bezweifelte sie. Zumal sie das Gesamtbild in dieser Anordnung nun zerstören musste.
    Wie lange würde er in diesem Bett liegen? Einen Tag? Eine Woche? Einen Monat? Wie mochte er aussehen, wenn die Leichenflüssigkeit austrat, sich in die Matratze fraß und den Gestank der Verwesung durchs Haus trug. Fadenwürmer und Fliegen anlockte. Ob zu dieser Jahreszeit Insekten kamen? Legten die dicken Fleischfliegen im Herbst Eier auf toten Körpern ab?
    Egal. Dieser Drecksack würde ohnehin bald nicht mehr schön anzusehen sein. Spätestens wenn rötlich-violette Leichenflecken den Rücken bedeckten, die Leichenstarre einsetzte und der Körper sich zu zersetzen begann.
    In den letzten Tagen war es deutlich kälter geworden, die Tagestemperatur auf unter fünf Grad gesunken. Das würde den natürlichen Prozess des Verfalls verzögern, ihn jedoch nicht aufhalten.
    Sie drehte die Ventile der Heizung höher.
    Sollte sie ihn fotografieren?
    Sie fingerte ihr Handy aus der Handtasche, hielt jedoch dann inne und steckte es wieder
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