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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch
Autoren: Agatha Christie
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in die Bibliothek. Und dort begeht sie ihren ersten Mord. Allerdings weiß sie nicht, dass Miss Carroll von oben Zeugin ihres Erscheinens und ihres Verhandelns mit dem Butler war; Jane Wilkinson ist vielmehr überzeugt, dass lediglich die Aussage des Butlers, der sie nie zuvor im Leben gesehen hat und gegen dessen Blick sie überdies der schräg sitzende Hut schützt, der Aussage von zwölf wohl bekannten, hoch geachteten Leuten gegenüberstehen wird.
    Sie verlässt das Haus, kehrt nach Euston zurück, verwandelt sich von einer blonden Frau wieder in eine dunkle und holt Carlottas Koffer. Jetzt muss sie ausharren, bis Carlotta, mit der sie einen ungefähren Zeitpunkt ausgemacht hat, aus Chiswick kommt. Deshalb wartet sie in Lyons Corner House, wobei sie öfter auf die Uhr schaut, denn die Zeit verrinnt langsam. Gleichzeitig aber bereitet sie den zweiten Mord vor. Sie legt die kleine, in Paris bestellte Golddose in Carlottas Handtäschchen, das sie natürlich bei sich behalten hat. Vielleicht findet sie bei dieser Gelegenheit den Brief, vielleicht hat sie ihn auch schon früher entdeckt. Wie dem auch sei – sobald sie die Adresse sieht, wittert sie Gefahr. Vorsichtig öffnet sie den Umschlag und sieht schwarz auf weiß die Bestätigung ihres Argwohns.
    Vermutlich war ihre erste Eingebung, den Brief gänzlich zu vernichten. Aber dann kommt ihr ein besserer Gedanke. Wenn man die eine Seite entfernt, wird der Brief zu einem Ronald Marsh schwer belastenden Dokument – Ronald, der alle Ursache hat, seinen Onkel zu hassen. Doch selbst wenn Captain Marsh über ein Alibi verfügen sollte, bleibt nach wie vor die Anklage gegen einen Mann bestehen, sofern nur das verfängliche J. das oben auf der linken Seite steht, mit abgerissen wird. Und folglich trennt sie den halben Bogen ab und mit ihm das winzige Stückchen, das der schmale Buchstabe J. beansprucht hat. Nach vollbrachter Tat schiebt sie das Übrige in den Umschlag zurück und legt ihn wieder in Carlottas Handtäschchen.
    Als die Zeit gekommen ist, schlägt sie die Richtung nach dem Savoy-Hotel ein. Sobald das Auto vorbeifährt, in dem angeblich sie selbst sitzt, beschleunigt sie ihren Schritt, betritt fast gleichzeitig mit Carlotta Adams die Hotelhalle und geht, in unauffälliges Schwarz gekleidet, schnurstracks die Treppe hinauf.
    Oben ist auch Carlotta Adams gerade erst im Zimmer angelangt, die Kammerfrau hat die keineswegs außergewöhnliche Anweisung erhalten, sich frühzeitig zu Bett zu begeben. Dann tauschen sie wiederum ihre Kleider, und hierauf, vermute ich, schlägt Lady Edgware einen kleinen Trunk vor – zur Feier des glänzenden Gelingens. In Carlottas Glas befindet sich das tödliche Gift. Sie gratuliert ihrem Opfer und verspricht, morgen den Scheck zu schicken. Carlotta Adams, bereits mit beginnender Müdigkeit kämpfend, fährt heim. Dort versucht sie noch einen Freund anzurufen, wahrscheinlich Captain Marsh oder Martin Bryan, die beide zum Amt Victoria gehören, aber die Schläfrigkeit ist stärker als ihr Wille. Sie geht zu Bett – und wacht nie wieder auf.
    Somit ist das zweite Verbrechen erfolgreich ausgeführt worden. Nun folgt das dritte. Mrs Widburn hat zu einem Lunch geladen, und während man bei Tisch sitzt, macht irgendwer eine Bemerkung über das ›Urteil des Paris‹. Jane Wilkinson, die schöne, aber ungebildete Jane Wilkinson, wendet das Wort Paris auf das einzige Paris an, das sie kennt – das Paris der Kleider und Hüte. Ihr schräg gegenüber aber sitzt ein junger Mann, der auch an jenem Dinner in Chiswick teilgenommen und gehört hat, wie die Lady Edgware jener Nacht über Homer und griechische Kultur im Allgemeinen sprach, denn Carlotta Adams war eine hochgebildete, belesene Frau. Er kann das nicht begreifen… er starrt sie an… und plötzlich gehen ihm die Augen auf: Das ist ja gar nicht dieselbe Frau! Eine schreckliche Erregung bemächtigt sich seiner, er will an die Wahrheit seiner eigenen Entdeckung nicht glauben. Einen Rat braucht er, einen Rat! Da denkt er an mich, spricht mit Hastings…
    Doch die Dame belauscht die beiden. Sie ist schlau genug, um sich zu vergegenwärtigen, dass sie sich irgendwie eine Blöße gegeben hat. Hastings gibt die Auskunft, dass ich erst gegen fünf wieder daheim sein werde. Was tut Jane Wilkinson? Zwanzig Minuten vor fünf sucht sie Donald Ross auf, der ihr zwar erstaunt, aber ohne Furcht Eintritt gewährt. Ein starker, behänder junger Mann wird sich doch nicht vor einer Frau fürchten! Er geht
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