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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch
Autoren: Agatha Christie
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wäre ich über die Nachäffung meiner Person sehr verärgert gewesen. Ich nahm selbst ab und zu Veronal, aber nicht oft. Also kam mir die Idee, den Anschein zu erwecken, als ob Carlotta medikamentenabhängig sei. Ich bestellte eine Dose – das Duplikat einer Dose, die ich selbst einmal als Geschenk erhalten hatte –, ließ die Initialen von Miss Adams darauf anbringen, im Innendeckel die Ihnen bekannte Gravierung einätzen und schickte Ellis über den Kanal, um sie abzuholen.
    An dem fraglichen Abend ging alles wie am Schnürchen. Während Ellis in Paris war, besorgte ich mir eines ihrer scharfen, handlichen Hühneraugenmesser, das ich später an Ort und Stelle zurücklegte, sodass sie nichts bemerkte. Ein Arzt in San Francisco zeigte mir einst, wo man den Stich ansetzen müsse. Er hatte über Punktion des Rückenmarks gesprochen und setzte hinzu, dass dabei äußerste Vorsicht geboten sei, da man sonst das Hauptnervenzentrum durchbohre, was den sofortigen Tod zur Folge haben würde. Verschiedene Male ließ ich mir von ihm die genaue Stelle zeigen, unter dem Vorwand, ich wolle die Idee in einem Film verwenden. In Wirklichkeit sagte ich mir, dass mir dieses Wissen eines Tages vielleicht nützlich sein könnte.
    Von Carlotta Adams finde ich es höchst unehrenhaft, dass sie ihrer Schwester von unserem Plan schrieb. Sie hatte mir strengstes Schweigen gelobt. War es nicht sehr geschickt, den halben Bogen abzureißen, Monsieur Poirot? Auf diesen klugen Einfall bin ich stolzer als auf alles andere. Da behauptet man von mir immer, ich hätte kein Hirn – meinen Sie nicht auch, dass nur ein vorzügliches Hirn einen solchen Gedanken fassen kann? Als dann am Morgen nach dem Mord der Inspektor von Scotland Yard zu mir kam, hätte es mir Spaß gemacht, wenn er mich verhaftet hätte. Ich fühlte mich unbedingt sicher. Mussten denn nicht sämtliche Gäste Sir Montagues meine Anwesenheit bezeugen?
    Ach, ich fühlte mich so glücklich und zufrieden! Wenn mich die alte Herzogin auch abscheulich behandelte, so war ihr Sohn dafür desto zärtlicher. Er wollte mich so schnell wie möglich heiraten und hegte nicht den geringsten Verdacht.
    So glücklich wie diese wenigen Wochen bin ich noch nie gewesen. Als dann der Neffe meines Mannes verhaftet wurde, schien mir meine Sicherheit verbürgt. Leider ereignete sich später der Zwischenfall mit Donald Ross. Noch jetzt weiß ich nicht ganz genau, wie er mir auf die Spur kam. Irgendein Paris, das keine Stadt, sondern eine Person war, nicht? Keine Ahnung wo dieser Mensch lebt oder gelebt hat. Jedenfalls finde ich den Namen sehr albern für einen Mann.
    Es ist seltsam, wie das Glück, sobald es sich erst einmal gegen einen wendet, sich ganz abkehrt. Den jungen Ross musste ich schnell unschädlich machen, hatte keine Zeit, für ein Alibi zu sorgen. Aber mit seinem Tod glaubte ich mir endgültige Sicherheit erkauft zu haben. Natürlich erzählte mir Ellis, dass sie bei Ihnen gewesen sei und dass Sie ihr einige Fragen gestellt hätten. Ich war der Meinung es handelte sich um Martin Bryan. Ich hatte keine Ahnung worauf Sie aus waren. Mit keiner Silbe hatten Sie ihr gegenüber das Päckchen aus Paris erwähnt. Warum nicht? Glaubten Sie, dass ich dann Lunte riechen würde? So wie die Dinge lagen, war nachher alles eine vollkommene Überrumpelung für mich. Unheimlich erschien es mir, wie Sie über jeden meiner Schritte Bescheid wussten.
    Ob Sie nicht doch manchmal Bedauern darüber fühlen, was Sie anrichteten? Was wollte ich denn, Monsieur Poirot? Doch lediglich auf meine eigene Art glücklich werden. Und wenn ich Sie nicht selbst hineingezogen hätte, würden Sie nie mit dem Fall in Berührung gekommen sein. Ich ließ mir nicht träumen, dass Sie so schrecklich gescheit sind – Sie sehen nämlich gar nicht gescheit aus.
    Es ist seltsam, aber mein gutes Aussehen habe ich nicht eingebüßt, trotz der grässlichen Gerichtsverhandlung und der Unmenge Fragen, mit denen man mich plagte. Ich bin viel blasser und dünner, doch es steht mir. Alle Welt sagt, ich sei tapfer. Heutzutage wird man nicht mehr in aller Öffentlichkeit gehenkt, nicht wahr? Ich finde das schade. Und nun muss ich Ihnen noch Lebewohl sagen. Komisch eigentlich, nicht? Morgen Früh wird mich der Geistliche besuchen.
     
    Es vergibt Ihnen (weil man doch seinen Feinden vergeben muss)
    Ihre Jane Wilkinson
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