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Dreizehn bei Tisch

Dreizehn bei Tisch

Titel: Dreizehn bei Tisch
Autoren: Agatha Christie
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Jahren von Neuem zu betreten. Vor drei Jahren hatte sie den reichen, aber etwas überspannten Lord Edgware geheiratet und, wie das Gerücht ging, kurz hinterher verlassen. Jedenfalls übernahm sie achtzehn Monate nach der Hochzeit in Amerika eine Filmrolle und spielte in dieser Theatersaison in einem erfolgreichen Stück in London.
    Während ich Carlotta Adams’ geschickte und auch ein wenig boshafte Nachahmung verfolgte, überlegte ich, mit welchen Augen wohl die betreffenden Opfer dieses Schauspiel betrachten würden. Schmeichelte es ihnen, dass man sie der Nachahmung für wert erachtete? Oder verstimmte sie das, was letzten Endes einer überlegten Preisgabe ihrer beruflichen Tricks gleichkam? Spielte Carlotta Adams nicht gewissermaßen die Rolle des Taschenspielers, der da sagt: »Oh, das ist ein ganz alter Trick! Höchst einfach. Ich will euch zeigen, wie man’s macht!«
    Wenn ich zu den fraglichen Opfern gehörte, würde ich mich sicher ärgern, wenngleich ich mich natürlich hüten würde, es zu verraten. Es bedurfte von Seiten der Betroffenen wirklich einer bedeutenden Großzügigkeit und eines ausgesprochenen Sinns für Humor, um solch schonungslose Entlarvung würdigen zu können.
    Zu dieser Schlussfolgerung war ich gerade gekommen, als das köstliche Lachen auf der Bühne hinter mir sein Echo fand. Unwillkürlich wandte ich den Kopf. Die Dame auf dem Sitz hinter mir, die sich mit leicht geöffneten Lippen vornüberneigte, war niemand anders als Lady Edgware, besser bekannt als Jane Wilkinson. Und sofort sagte ich mir, dass meine Schlussfolgerung falsch gewesen sei. Das augenblickliche Opfer Carlotta Adams’ beugte sich mit unverkennbarem Vergnügen, mit freudiger Erregung nach vorn.
    Als der Vorhang zusammenrauschte, klatschte sie laut Beifall, lachte und rief ihrem Begleiter, einem sehr gut aussehenden Mann, schön wie ein griechischer Gott, ein Scherzwort zu. Es war Martin Bryan, der angebetete Filmliebling. Verschiedentlich hatten die Kinobesucher ihn und Jane Wilkinson zusammen auf der Leinwand bewundern können.
    »Nicht wahr, sie ist wunderbar?«, sagte Lady Edgware jetzt.
    »Mein Gott, Jane, Sie sind vor Begeisterung ja ganz aus dem Häuschen!«, neckte er.
    »Nun ja, sie ist auch unbeschreiblich gut. Tausendmal besser, als ich je gedacht hatte.«
    Martin Bryans Erwiderung entging mir, da Carlotta Adams bereits mit einer neuen Persönlichkeit aufwartete – einer Zugabe als Dank für den nicht enden wollenden Beifall.
    Was sich dann ereignete, war, so denke ich auch heute noch, ein sehr merkwürdiges Zusammentreffen.
    Nach dem Theater gingen Poirot und ich zum Supper ins Hotel Savoy. Und wer saß am Nachbartisch? Lady Edgware, Martin Bryan und zwei Personen, die ich nicht kannte. Während ich Poirot auf die Gesellschaft aufmerksam machte, betrat ein anderes Paar den Saal und nahm am übernächsten Tisch Platz. Das Gesicht der Frau kam mir vertraut vor, und dennoch wusste ich es im ersten Moment nicht unterzubringen.
    Dann wurde mir plötzlich bewusst, dass es Carlotta Adams war. Der elegante, nur unbekannte Mann hatte ein fröhliches, doch ziemlich nichts sagendes Gesicht: ein Menschentyp, den ich nicht mag.
    Carlotta Adams trug ein schwarzes, sehr schlichtes Kleid. Auch ihren Zügen schenkte man nicht sofort Beachtung. Ihr wandlungsfähiges, empfindsames Gesicht, das sich so hervorragend für die Kunst der Mimik eignete, konnte leicht irgendeinen beliebigen fremden Charakter annehmen, doch fehlte ihm ein sofort erkennbarer eigener Zug.
    Ich teilte meine Überlegungen Poirot mit, der, den eiförmigen Kopf leicht zur Seite geneigt, nur aufmerksam zuhörte und dabei die beiden Tische mit einem scharfen Blick überflog.
    »So, das ist Lady Edgware? Ja, ich entsinne mich – habe sie einmal auf der Bühne gesehen. Une belle femme.«
    »Und obendrein eine tüchtige Schauspielerin.«
    »Möglich.«
    »Das klingt, als seien Sie nicht davon überzeugt, Poirot.«
    »Es hängt meines Erachtens von den Umständen ab, mein Freund. Wenn sie der Mittelpunkt des Stückes ist, wenn sich alles um sie dreht – ja, dann kann sie ihre Rolle spielen. Ich bezweifle jedoch, ob sie einer kleineren Rolle im gleichen Maße gerecht wird oder ob sie überhaupt das spielen kann, was man eine Charakterrolle nennt. Das Stück muss um sie und für sie geschrieben sein. Ich halte sie für den Typ Frau, der nur Interesse für sich selbst aufbringt.« Er schaltete eine Pause ein, um ganz unerwartet hinzuzufügen: »Derartige
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