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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April
Autoren: Susanne Preusker
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Das Nachwort als Vorwort
    Wahrscheinlich gibt es nicht viele Bücher, Romane, Erzählungen, Essays, die mit dem Nachwort beginnen. Aber wahrscheinlich gibt es auch nicht viele Autorinnen oder solche, die sich dafür halten, die eine klare Vorstellung davon haben, wie sie in der NDR Talk Show ihr Sensationswerk vorstellen, ins kleine Schwarze gewandet, bescheiden, aber selbstsicher auftretend. Und die gleichzeitig überhaupt keinen Plan haben, wie sie dieses Ziel genau erreichen können. Menschen, den Kopf voller Ideen, Fragmenten, Kapitelüberschriften, Buchtiteln, Bildern, aber unfähig, dieses Knäuel zu entwirren, um den Anfang zu finden.
    So bin ich. Beseelt vom Wunsche, eine richtig gute Geschichte zu erzählen. Und völlig unfähig, zugunsten des Ziels – NDR Talk Show, Buchvorstellung, Weißweinglas in der Hand, im kleinen Schwarzen kluge Dinge sprechend – Ordnung in den Kopf zu bringen oder auch nur so etwas wie Disziplin an den Tag zu legen. Oder, noch einfacher, nur anzufangen. Irgendwie. Mit irgendwas.
    Vor vielen Jahren hat mir ein erfahrener Berufskollege einmal geraten, einen schwierigen und komplizierten Sachverhalt, der sich nicht auf das Papier zwingen lassen wollte, dergestalt auszutricksen, dass ich den letzten Satz, das Ergebnis, auf das ich zusteuern will, zuerst aufschreibe. Diese Methode hat geklappt und sich auch in der Folgezeit noch oftmals bewährt. Aha. Warum sollte das dann bei einem Buch nicht funktionieren?
    Ich werde jetzt also anfangen, meine Geschichte zu erzählen, ohne genau zu wissen, wie. Mir ist unklar und auch völlig egal, welchem literarischen Genre diese Geschichte zugeordnet werden kann. Mir ist egal, wie lange es dauert. Mir ist eigentlich sogar egal, ob sie jemals verlegt wird. Wichtig ist nur, dass ichanfange – sonst werde ich nie im kleinen Schwarzen in der NDR Talk Show sitzen, soviel steht fest. Ich erzähle jetzt eine kleine Geschichte. Und dann noch eine. Und noch eine. Und mit etwas Glück und Durchhaltevermögen fügt es sich vielleicht zu einem verständlichen Ganzen, zu meiner Geschichte, zu meinem Buch vom Überleben.
    Natürlich habe ich Sorge, ein weiteres Werk aus der Rubrik »Bücher, die die Welt nicht braucht« ins Leben hinauszuschicken. Ich werde trotzdem schreiben, auch wenn die Welt vielleicht auf das, was ich zu sagen habe, verzichten kann – ich kann es nicht. Ich brauche es, zu schreiben, zu erzählen, mich auf diesen Weg zu begeben. Und im Moment ist das das Einzige, was zählt.
    Kein Nachwort ohne Danksagung. Ich danke meinem Mann und meinem Sohn, die mir das Überleben ermöglicht haben und für die es sich gelohnt hat und immer noch lohnt. Außerdem danke ich den Böhsen Onkelz für die folgenden großartigen Zeilen:
    Nichts hat Bestand, nicht mal das Leid, und selbst die größte Scheiße geht mal vorbei. Lass es zu, dass die Zeit sich um dich kümmert, hör mir zu, mach es nicht noch schlimmer, denn es gibt ’nen neuen Morgen, ’nen neuen Tag, ein neues Jahr. Der Schmerz hat dich belogen, nichts ist für immer da. 1
    Auch diese Worte haben mir beim Überleben geholfen.
    Und an meine Kritiker, die ich jetzt schon habe, und an die, die ich vielleicht noch bekommen werde: »Schreibt doch eure eigenen Geschichten auf, dann seid ihr nicht auf mich angewiesen.« Das ist ein Zitat der von mir sehr geschätzten Rita Mae Brown. Vielleicht sitzen wir uns dann eines Tages in einer Talkshow gegenüber und warten mal ab, was passiert. Das ist von mir.
    Ich wäre froh und stolz, die erste Geschichte mit einem bahnbrechenden, alles bereits Gewesene in den Schatten stellenden,die Leserschaft auf ewig beeindruckenden Satz beginnen zu können. So in etwa aus der Liga eines Tolstoi mit seinem berühmten Anfang von Anna Karenina . Oder zumindest wie Tania Blixen: »Ich hatte eine Farm in Afrika, am Fuße der Ngongberge …«
    Leider bin ich von derartigen literarischen Qualitäten Lichtjahre entfernt. Mindestens.
    Mein erster Satz lautet daher schlicht und ergreifend:

Frau Hoppe macht sauber
    Manchmal, wenn ich auf dem Balkon sitze oder rausgehe, um eine Zigarette zu rauchen, was auch im Winter viel zu häufig vorkommt, sehe ich, dass Frau Hoppe sauber macht. Frau Hoppes Balkon liegt, von unserem aus gesehen, über Eck schräg links in der zweiten Etage und ist sehr viel kleiner als unserer, höchstens halb so groß. Auf Frau Hoppes Balkon gibt es drei mäßig bewachsene Blumenkästen, einen kleinen Pflanzkübel mit einer vereinsamten Konifere, eine
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