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Crash: Thriller (German Edition)

Crash: Thriller (German Edition)

Titel: Crash: Thriller (German Edition)
Autoren: Mark Alpert
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EINS
    E s geschah an einem Donnerstag um 16 Uhr 46, während Michael Gupta in seiner verhaltenstherapeutischen Sitzung war. Es klopfte an der Tür, und Dr. Parsons ging hin, um zu öffnen. Doch kurz bevor er dort ankam, ging die Tür weit auf, und Michael hörte einen schnellen, gedämpften Schuss. Dr. Parsons fiel nach hinten, und sein Kopf schlug auf den Boden. Er lag bewegungslos auf dem Rücken, und in der Mitte seines Polohemds war ein gezacktes schwarzes Loch. In weniger als einer Sekunde füllte sich das Loch mit Blut.
    Sie befanden sich im Computerraum des Autismuszentrums von Upper Manhattan, das Michael während der Woche jeden Nachmittag aufsuchte. Er war neunzehn Jahre alt, und seine Lehrer hatten gesagt, er habe in den vergangenen zwei Jahren großartige Fortschritte gemacht, müsse aber noch an seiner sozialen Kompetenz arbeiten, damit er auf einem Bürgersteig voller Menschen nicht nervös wurde oder anfing zu stöhnen, wenn jemand gegen ihn stieß. Deshalb hatte Dr. Parsons ein Computerprogramm namens Virtual Contact aufgetan, das Simulationen von Menschen und Orten generierte, lebendige Gestalten, die über realistisch aussehende Straßen gingen. Das Programm sollte Michael helfen zu erkennen, dass Begegnungen im öffentlichen Raum normalerweise nicht gefährlich waren. Der Arzt war gerade im Begriff gewesen, ihm zu zeigen, wie man die Simulation in Gang setzt, als sie das Klopfen an der Tür hörten.
    Kurz nachdem Dr. Parsons zusammengebrochen war, betraten ein Mann und eine Frau das Zimmer. Beide trugen ausgebeulte dunkelblaue Overalls. Der Mann war hochgewachsen, er hatte schwarze Haare, einen Bürstenhaarschnitt und seitlich am Hals eine lange, bogenförmige Narbe. Michael schaute dem Mann nicht ins Gesicht. Er schaute Menschen im Allgemeinen nicht ins Gesicht, weil er nicht gern mit ihnen in Blickkontakt trat, und in den meisten Fällen konnte er sich ohnehin keinen Reim auf einen Gesichtsausdruck machen. Die Frau war ebenfalls groß, und ihre Haare waren fast so kurz wie die des Mannes, aber Michael konnte sehen, dass es eine Frau war, weil ihr Busen die Vorderseite ihres Overalls ausfüllte. An ihrer linken Hand waren drei Finger verbunden, in der rechten hielt sie eine Schusswaffe.
    Mit Schusswaffen kannte sich Michael aus. Er hatte schon welche gesehen, und das nicht nur in Videospielen. Die Pistole der Frau war mit einem Schalldämpfer versehen, ein dicker grauer Zylinder, der an der Mündung angebracht war. Deshalb hatte der Schuss so dumpf geklungen. Die Frau hatte Dr. Parsons erschossen, und jetzt würde sie auch ihn erschießen.
    Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Michael stöhnte auf. Er rutschte von seinem Stuhl herunter und rollte sich auf dem Linoleumboden zusammen. Er schloss die Augen und begann, die Fibonacci-Folge zu berechnen. Das tat er immer, wenn er Angst bekam. Michael hatte ausgezeichnete mathematische Fähigkeiten geerbt; er war tatsächlich Albert Einsteins Ururenkel, obwohl er das niemandem verraten sollte. Und die Fibonacci-Folge war leicht zu berechnen: Jede Zahl in der Folge entspricht der Summe der beiden vorhergehenden Zahlen. Die Ziffern leuchteten auf dem schwarzen Bildschirm seiner Lider auf und liefen schnell von rechts nach links wie die Wörter unten an einem Fernsehbildschirm: 0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89…
    Die Frau machte noch zwei Schritte und beugte sich über ihn. Michael schlug die Augen auf. Obwohl er die Stirn gegen das Linoleum presste, konnte er ihren Schatten sehen.
    »Es ist alles in Ordnung, Michael«, sagte sie. Ihre Stimme war ruhig, und sie sprach langsam. »Ich werde dir nicht wehtun.«
    Er stöhnte lauter und versuchte, sie zu übertönen.
    »Hab keine Angst«, sagte sie. »Wir machen eine Reise. Ein großes Abenteuer.«
    Er hörte ein polterndes Geräusch. Aus dem Augenwinkel sah er zwei Räderpaare. Der Mann mit dem schwarzen Bürstenhaarschnitt hatte eine Ambulanztrage in den Raum gerollt. Er zog an einem Hebel, der die Trage auf den Boden absenkte. Im gleichen Augenblick packte die Frau Michael am Handgelenk. Er versuchte zu schreien, aber sie legte ihm die andere Hand auf den Mund. Dann wandte sie sich an den Mann. »Hol das Fentanyl raus!«
    Michael begann, sich herumzuwerfen. Er trat und wand sich und schlug derart wild um sich, dass er sich nachher nur an ein Übelkeit erregendes Gewirbel erinnern konnte. Sie schnallten ihn auf der Trage fest, wobei sie ihm Arme und Beine fesselten. Dann legten sie ihm eine
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