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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden
Autoren: Erich Maria Remarque
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und es bleibt nur noch ein spontanes, anarchischantirationales »du willst«, wie Robby es ausdrückt: »Du fragst nicht mehr soviel. Du willst einfach.« (S. 219)
     Dieses Lebensgefühl resultiert für die drei »Kameraden«, Köster, Lenz und Lohkamp, sowie die mit ihnen eng vertrauten Nebenfiguren wie Ferdinand Grau, Valentin Hauser und den Kneipenwirt Alfons aus den Erfahrungen des Irrwitzes und den Schrecken des Fronterlebnisses, von dem sie als »verlorene Generation« zurückgekommen waren, »jung, ohne Glauben, wie Bergleute aus einem eingestürzten Schacht« (S. 49). Was ihr Handeln bestimmt, was die gerettete und im Überleben des Schützengrabens neu geschenkte Existenz lenkt, ist das Bild, das sie »im Herzen« tragen – »unverlöschlich eingegraben in den Stunden, Tagen und Nächten, wo es nichts gab als das eine: das nackte Leben und das nackte Sterben«. (S. 299)
    Diese mentale Disposition des »Ordens der Erfolglosen«
    kennt als verläßliche Größe keine andere Konstante, kein anderes Vertrauen als das zu den Kameraden neben uns und das eine andere, das uns nie getrogen hatte: zu den Dingen – zu Himmel, Tabak, Baum und Brot und Erde – (S. 49).
    Folglich ist der Toast, den Lenz auf ihre Form zu leben aus
    bringt, zwar paradox, aber in seinem Widerspruch schlüssig:
    Prost, Kinder! weil wir leben! Weil wir atmen! Weil wir
    das Leben so stark empfinden, daß wir nichts mehr damit anzufangen wissen! (S. 299)
     Die vierfachen Ausrufungszeichen des Textes bekräftigen den emotionalen Vollzug des Lebens, dessen rationale Begründbarkeit in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs verlorengegangen ist.
     Zu dieser hautnah empfunden, nicht analytisch hinterfragten Kette von Augenblickserlebnissen, die als einzig mögliche Form zu leben erfahren wird, gehören besonders die »belanglosen, kleinen« Dinge, die im Kriege das einzig Verläßliche und der einzige Trost waren. Robby beschreibt das am Beispiel eines Morgens in seiner Pension so:
     Aus der Küche kam jetzt der Geruch von frisch aufgebrühtem Kaffee... Es war merkwürdig, aber der Kaffeegeruch stimmte mich heiterer. Ich kannte das vom Kriege her – es waren nie die großen Dinge, die einen trösteten –; es waren immer die belanglosen, kleinen. (S. 259)
     Zu diesem einfachen Leben der Kameradschaft und den unmittelbar erfahrenen Dingen gehören in Drei Kameraden außer »Tabak« und »Brot«, außer »Himmel«, »Baum« und »Erde«, auch der listig-potente Oldtimer-Renner »Karl, das Chausseegespenst« (S. II, 361), der vierte Kamerad im Bunde ebenso wie die als fünfte in den Bund der Kameradschaft aufgenommene Pat. Sie ist schön, jung, voll Erwartung, ein Schmetterling, verflogen durch einen glücklichen Zufall in mein [Robbys]... belangloses, sinnloses Leben... (S. 108)
     Nur in der »Kameradschaft«, im warmen, freundschaftserfüllten Miteinander der einfachen Lebenssituation, besteht die Möglichkeit, »die Sinnlosigkeit des Daseins zu bestechen«. (S. 154)
     Dazu gehört untrennbar das betont sinnliche Erleben der Natur, das Durchbrechen der trüben Alltäglichkeit, wie es in dem Symbol des aufblühenden »alten Pflaumenbaums neben der Benzinpumpe« zum Ausdruck kommt, der »den ganzen Winter krumm und kahl dagestanden« hatte »als ein bequemer Ständer für alles, vom Putzlappen bis zur Motorhaube«:
     ...und nun auf einmal, über Nacht, war er verwandelt und verzaubert in eine schimmernde Wolke von Rosa und Weiß, eine Wolke von hellen Blüten, als hätte sich ein Schmetterlingsschwarm auf unseren dreckigen Hof verflogen... (S. 40) Zu diesem Erleben gehört für die Mitglieder des »Ordens der Erfolglosen«, ausgeprägter und unmittelbarer in die Lebensfunktionen einbezogen als in den anderen Romanen Remarques, das Lob des Alkohols, insbesondere des Rums und seiner die Realität distanzierenden Wirkung. Das kulminiert in dem Bild von der Bar als »Kommandobrücke des Lebens«, von der aus die Kameraden »brausend in die Zukunft« steuern (S. 20), eine Zukunft, die bei nüchtern-analytischer Betrachtung negiert wird.
     So erfährt Pat von Robby bei ihrem ersten gemeinsamen Barbesuch einiges über seine »Rum-Philosophie«:
     Rum hat mit Schmecken nicht viel zu tun. Er ist nicht so einfach ein Getränk – er ist schon mehr ein Freund. Ein Freund, der alles leichter macht. Er verändert die Welt. Deshalb trinkt man ja... (S. 37)
     Die Bar wird für Robby »ein halbdunkler Unterstand, um den ringsumher die ewige Schlacht
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