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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden
Autoren: Erich Maria Remarque
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heraufziehenden Faschismus her (zum Zeitpunkt der Überarbeitung war die Machtergreifung erfolgt, und Remarque lebte im Schweizer Exil). D. h., es erfolgt eine deutliche Verlagerung des Zeithorizonts aus den ersten Nachkriegsjahren im Anschluß an Der Weg zurück in den Zeithorizont einer zugespitzten Krisensituation Ende der 20er/Anfang der 30er Jahre. Andererseits stellt Remarque die Utopie der Liebesgeschichte einer immer verzweifelteren politischen Situation gegenüber, d. h., er beendet den Roman mit dem Tod Pats. Der Hinweis auf die Fortführung des Kampfes »als Soldaten in der großen Armee des Lebens« (s. oben) ist weggelassen. In Deutschland, so könnte man schlußfolgern, scheint für Remarque der Kampf entschieden zu sein. Was bleibt, ist die ewige Utopie und Realität der Liebe.
     Dies ist eine, wie ich glaube, künstlerisch überzeugende Lösung, die der Wirkung des Romans als unvergänglicher Liebesgeschichte – auch und gerade in fürchterlichen Zeiten – zugute kommt.
     In dem Rachethema von Drei Kameraden wird das Notwehrrecht des Individuums – bei nicht funktionierender staatlicher und gesellschaftlicher »Gerechtigkeit« – aufgenommen, das schon in Der Weg zurück eine wesentliche Rolle spielt. Dort erschießt der hilflose Albert Troßke den Nachkriegsgewinnler und Schieber Julius Bartscher, der ihm sein Mädchen, seine einzige neue Hoffnung, weggenommen hatte. Dieses Thema der individuell zu rechtfertigenden (und damit für Remarques Helden gerechtfertigten) Tötung von Vertretern eines übermächtigen und unmoralischen Bedrohungssystems wird dann wieder aufgegriffen in der Tat Steiners in Liebe deinen Nächsten, Ravics in Arc de Triomphe und Josef Schwarz' in Die Nacht von Lissabon. Di e von Remarques Protagonisten ausgeführten Individual-Tötungen von mörderischen Vertretern eines menschenverachtenden Systems kulminieren in der Tat des Häftlings 509 in dem KZ-Roman Der Funke Leben, der unter Aufopferung seines Lebens den SS-Schinder Weber erschießt und damit Leben von Mithäftlingen rettet.

    III. Der Orden der Erfolglosen
     Remarques besondere Sympathien gelten schon in der frühen Schaffensphase an seinem Roman den Figuren, »die schon oft etwas aufgeben und neu begonnen haben«. Es sind die kleinen Leute, »die hart um ihr Dasein kämpfen müssen«. 15
     Robby ist einer davon. In einem der zahlreichen Bargespräche sagt er zu Ferdinand Grau, dem Maler, der seine Existenz mit Portraits nach Photos von Verstorbenen fristet:
     Aber ich wollte, es ginge uns nicht immer alles in die Brüche (S. 299).
     Für dieses immer neue Scheitern des »deklassierten Kleinbürgers« in einer ihm feindlichen Gesellschaft hält Ferdinand den Trost bereit, der als positive Lebensquelle des »Trotzdem« den ganzen Roman durchzieht. Er antwortet Robby:
     Dafür gehörst du einem Orden an, Bruder – dem Orden der Erfolglosen, Untüchtigen, mit ihren Wünschen ohne Ziel, ihrer Sehnsucht, die nichts einbringt, ihrer Liebe ohne Zukunft, ihrer Verzweiflung ohne Vernunft... Der geheimen Brüderschaft, die lieber verkommt, als daß sie Karriere macht, die das Leben lieber verspielt, zerbröckelt, verliert, als daß sie das unerreichbare Bild betriebsam verfälscht oder vergißt... (S. 299) Oder wie Gottfried Lenz, der von sich behauptet, der »letzte Romantiker« (S. 13) zu sein, an anderer Stelle formuliert: »Ziele machen das Leben bürgerlich.« (S. 227)
     »Bürgerlichkeit«, d.h. ein geordnetes, begrenztes, nur auf Sicherheit und materiellen Erfolg ausgerichtetes Leben, ist das Schreckgespenst aller Remarqueschen Sympathieträger. Robby variiert das Thema, als er den an seinem Lebensziel, einem erfolgreichen Studienabschluß, verzweifelnden Studenten Georgie zu trösten versucht: »Man lebt auch nicht für einen Zweck. So einfach ist das nun doch nicht.« (S. 307)
     Aber wofür lebt der »Orden der Erfolglosen«? Seine Mitglieder leben für das Leben, das zwar als Ganzes unverständlich, widersinnig, chaotisch, ungeordnet, ziellos, als »leise fressendes Nichts« (S. 367) und als »endloses Weltgelächter« (S. 314) empfunden wird, aber in Stimmungen, Augenblicken, in »wunderbaren Einzelheiten« und in den »kleinen Dingen« doch Erfüllung und Zufriedenheit bringt, aber niemals Dauer, Plan und Zukunft ermöglicht.
     Jegliches Denken, Analysieren, Begründen, Suchen von Lebenssinn scheitert. Daher ist für Lenz das Denken »die schlimmste Krankheit der Welt«, die »unheilbar« ist (S. 137),
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