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Drachenlanze - Ungleiche Freunde

Drachenlanze - Ungleiche Freunde

Titel: Drachenlanze - Ungleiche Freunde
Autoren: Tina Daniell
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Norden schlief ein kleiner Ort in der Dunkelheit. Es
war eine Stadt aus Holzhäusern, von denen die meisten oben in
die sicheren Zweige uralter, turmhoher Bäume gebaut waren.
Luftige Hängebrücken verbanden die Häuser miteinander. In
einem der wenigen Häuser auf dem Boden - dem einzigen, wo
noch ein schwaches Licht durch die offenen Fensterläden
hinausschien - saß eine einzelne Gestalt. Sie war klein, von der
Größe eines Menschenkindes, hatte aber kräftige Glieder und
breite Schultern, und vom Kinn kräuselte sich ein dichter Bart
auf die Brust. Der Zwerg saß am Tisch und hielt ein Stück
Holz in der Hand, das er immer wieder drehte. Mit einem
kleinen Messer schnitzte er hier und da daran herum. Trotz
seiner gedrungenen Finger arbeitete er dabei sehr präzise.
Schon bald entstand ein glattes, zartes Gebilde aus dem
weichen Holz: das Abbild eines Espenblatts. Er hatte erst
einmal eine Espe gesehen, weit im Süden in der Nähe seiner
Heimat, die er vor gar nicht so langer Zeit verlassen hatte, um
in der weiten Welt sein Glück zu machen. Blaß und schmal
hatte der Baum am höchsten Punkt eines hohen Passes
gestanden, welcher zum Land der Elfen führte - das jedenfalls
hatte sein Vater ihm erzählt. Vielleicht hatten die QualinestiElfen ihn dort in Erinnerung an ihre Waldheimat gepflanzt,
falls sie einmal zufällig diesen Weg nehmen sollten. Der Baum
mit seinen Blättern, die auf der einen Seite grün und glänzend
wie Smaragde waren und auf der anderen wie silberner Reif,
gehörte für ihn zum Schönsten, was er je gesehen hatte.
Vielleicht würde er eines Tages noch einmal das Glück haben,
eine Espe zu sehen. Vorerst aber würde das Holzblatt reichen
müssen.
Schließlich wurde der Zwerg müde. Er stand auf und blies
die Kerze auf dem Tisch aus. Als er auf dem Weg zum Bett am
Fenster vorbeikam, bemerkte er ein Aufblitzen im Süden.
Einen langen Moment sah man das Licht über den dunklen
Himmel sausen. Dann war es fort.
»Reorx! Noch nie hab ich so eine Sternschnuppe gesehen!«
murmelte er und erschauerte, obwohl die Frühlingsnacht ganz
und gar nicht kalt war. Doch dann fragte er sich, warum er dort
aus dem Fenster starrte wie ein Welpe, der so etwas zum ersten
Mal sieht, schüttelte den Kopf, schloß die Läden und legte sich
hin, um von Espen zu träumen.
Kapitel 1
Die Einladung
AC. 288, Vorfrühling
    »Flint Feuerschmied aus Solace, Zwerg und
Schmiedemeister, auf Einladung der Stimme der Sonne!«
ertönte eine Stimme.
    Flint spähte mißtrauisch durch die vergoldeten Türen, die
sich vor ihm auftaten, doch dann weiteten sich seine
stahlblauen Augen vor Erstaunen, als sein Blick nach oben
wanderte - und immer weiter nach oben. Er bestaunte die
weißen Marmorwände, die sich ohne die Hilfe von Säulen,
Stützen oder Verstrebungen fast sechshundert Fuß bis zur
gewölbten Decke erhoben. In Flints Augen wirkte die Kuppel
fast so fern wie der Himmel selbst, und dieser Eindruck wurde
auch noch durch ein glitzerndes Mosaik in der Kuppel
verstärkt, das auf der einen Seite die Nacht, auf der anderen
den Tag darstellte. Die beiden Bereiche waren durch einen
durchscheinenden Regenbogen getrennt. Schon beim Anblick
des enormen Turms wurde ihm schwindlig. Flint fiel die
Kinnlade herab, und seine Augen tränten, als er sie
zusammenkniff und das Mosaik dort oben genauer betrachtete,
bis ihn das höfliche Hüsteln des Dieners, der ihn angekündigt
hatte, wieder in die Gegenwart zurückrief.
    »Feuerschmied, benimm dich nicht wie ein Tourist«, schalt
der Zwerg sich leise. »Alles wird denken, daß du noch nie aus
Hügelheim herausgekommen bist.« Das winzige Dorf seiner
Geburt lag weit im Süden des Elfenlands. Er richtete sich auf,
strich die blaugrüne Tunika glatt und ging weiter in den Saal
hinein. Ein Dutzend Höflinge in knielangen, braunen, grünen
und rostroten Tuniken mit Silbergürtel drehte sich nach ihm
um, als seine eisenbeschlagenen Stiefel, die im Kampf so
praktisch waren, über den Marmorboden donnerten. Die
weichen Schuhe seines Begleiters glitten dagegen fast
geräuschlos über den Marmor. Flint versuchte, auf
Zehenspitzen zu gehen, was in Stiefeln ein schwieriges
Unterfangen ist. Er merkte, wie sich auf dem Gesicht seines
Begleiters ein leises Grinsen abzeichnete. Die mandelförmigen,
braunen Augen schauten freundlich. Ein paar Höflinge
lächelten, doch die meisten Elfen verzogen keine Miene, als
wäre ihr Gesicht aus dem Eis der Polkappe im Süden
geschnitzt.
    Die Qualinesti-Elfen im Westen
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