Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenlanze - Ungleiche Freunde

Drachenlanze - Ungleiche Freunde

Titel: Drachenlanze - Ungleiche Freunde
Autoren: Tina Daniell
Vom Netzwerk:
haben.«
Nein, hätte Eld Ailea fast gesagt. Es ist, was du befürchtet
hast. Aber sie hielt ihre Zunge im Zaum. Kethrenan, der
jüngere Bruder der Stimme, war auf dem Weg zur Festung Pax
Tarkas, im Süden von Qualinesti, bei einem Überfall von
menschlichen Banditen getötet worden. Obwohl die Rassen der
Elfen und der Menschen sich einst - vor Tausenden von Jahren
- nahegestanden hatten, waren solche Räuberbanden von
Menschen seit den Zerstörungen der Umwälzung nur allzu
üblich geworden. Die Bande hatte Kethrenans Frau, Elansa,
vergewaltigt und sie dann im Straßenschlamm liegenlassen,
wohl, weil man sie für tot hielt. In den letzten Monaten war sie
praktisch eine lebende Tote gewesen. Ihre Augen waren leer
gewesen, und sie hatte gerade eben genug gegessen, um das
Leben zu nähren, das in ihr heranwuchs, hatte hauptsächlich
Quith-Pa, das nahrhafte Elfenbrot, und unverdünnten Wein zu
sich genommen. Das Kind hätte von Kethrenan oder von dem
menschlichen Vergewaltiger sein können, und Elansa hatte
abgewartet, ob die Antwort auf diese Frage wirklich so ausfiel,
wie sie es befürchtet hatte.
»Das Kind ist ein Halbmensch«, sagte Solostaran, der immer
noch kniete. Seine Hand lag auf der Armlehne des
Schaukelstuhls.
»Es ist auch ein Halbelf.«
Solostaran schwieg eine Weile, doch dann sah Eld Ailea die
stolze Maske bröckeln, und die Stimme schüttelte den Kopf.
Das Baby schlief noch. Vorsichtig berührte die Stimme eine
der beiden, winzigen Hände. Reflexhaft öffnete sich die Hand
und klammerte sich dann am Finger der Stimme fest. Eld Ailea
hörte, wie Solostaran tief Luft holte, und sah Milde in seinen
Augen aufkeimen. »Was für ein Leben mag einen erwarten, der
von zwei Dingen die Hälfte ist und nichts Ganzes?« fragte die
Stimme. Aber Eld Ailea hatte keine Antwort für ihn, und lange
sagte keiner von beiden ein weiteres Wort. Der Blick der
Hebamme blieb ungerührt.
Für einen Augenblick zeigte sich ein gepeinigter Ausdruck
in den Augen der Stimme. Dann kehrte der Stolz in sein
Gesicht zurück. »Er ist der Sohn der Frau meines Bruders, und
er wird bei mir leben. Er soll wie ein echter Elf von Qualinesti
aufwachsen.« Eld Ailea seufzte, berührte die Wangen des
Neugeborenen und küßte seine Stirn, bevor sie das Bündel
wortlos der Stimme überreichte. »Hat der Kleine schon einen
Namen?« fragte Solostaran, der anscheinend jeden Blick auf
die starre Gestalt im Bett mied. »Hat Elansa ihm einen
gegeben?« »Ja«, flüsterte die Hebamme nach einer Pause. Sie
zögerte bei der Lüge. »Sie nannte ihn >Tanthalas<.« Eld Ailea
strich ihren wollenen Rock glatt, weil sie es nicht wagte, der
Stimme in die Augen zu sehen, damit er nicht die Wahrheit
erriet. Doch ihr Geschenk an das Kind würde etwas
Dauerhaftes sein - ein Name. »Immer stark«, bedeutete der
Name in dem Menschendialekt, den Eld Ailea als Kind gelernt
hatte.
Solostaran nickte nur. Als er zur Tür ging, trug er das Baby
so geschickt wie ein erfahrener Vater. Porthios, sein
Erstgeborener, war erst fünfzig Jahre alt, immer noch ein
Jugendlicher. Eld Ailea hievte ihren plötzlich erschöpften
Körper aus dem Stuhl und folgte ihm. Sie blieben in der
Nachtluft am Fenster stehen; die Frische des Frühlings drang
herein, erfaßte sein goldenes Haar und wehte es aus der Stirn.
Dort ruhte ein goldener Reif, der im Licht der Monde silbern
und karmesinrot glänzte.
»Ich fürchte, ich tue ihm keinen Gefallen, wenn ich ihn an
den Hof bringe«, sagte die Stimme. »Ich bezweifle, daß er dort
Frieden finden kann. Aber wir sind verwandt, darum muß ich
es tun.«
Solostaran zog das Leintuch um das Gesicht des Kindes,
damit es vor der Feuchtigkeit geschützt war, und die Hebamme
und die Stimme blieben noch vor dem Fenster stehen. In
diesem Moment blitzte ein silberner Streifen am Himmel auf.
Eine Sternschnuppe, Himmelslicht, das auf Krynn fiel, zog
ihren feurigen Schweif nordwärts hinter sich her. Die Stimme
schien das Omen nicht zu bemerken, doch Eld Ailea schloß
hoffnungsvoll ihre Finger um das Amulett, das die sterbende
Elansa ihr aufgenötigt hatte. Für das Volk der Hebamme
verhieß eine Sternschnuppe gute Kameraden. Und ein Halb-Elf
würde gute Freunde brauchen.
»Ich werde andere schicken, die sich um Elansa kümmern
sollen«, sagte Solostaran, wobei seine Stimme etwas bebte.
Dann ging er und nahm das Baby mit. Eld Ailea blieb am
Fenster stehen, bis das Klingeln der Glöckchen und der dumpfe
Hufschlag auf den gepflasterten Straßen verklungen waren.
Weit im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher