Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Don Camillo und Peppone

Don Camillo und Peppone

Titel: Don Camillo und Peppone
Autoren: Giovannino Guareschi
Vom Netzwerk:
um seine Frau auszufragen, schaute diese sie mit vor Angst weit geöffneten Augen an.
    «Haben Sie niemanden gesehen?»
    «Ich war im anderen Zimmer, ich habe schießen gehört und meinen Mann ausgestreckt auf dem Boden gefunden. Ich habe nichts anderes gesehen.»
    «Wo war der Bub?»
    «Er war schon im Bett.»
    «Und wo ist er jetzt?»

    «Ich habe ihn zur Großmutter geschickt.»
    Man konnte nichts anderes in Erfahrung bringen. Man stellte fest, daß in der Pistole eine Kugel fehlte; das Geschoß, das Pizzi getötet hatte, war in die Schläfe gedrungen; das Kaliber der Kugel war mit dem Kaliber der Pistole, die Pizzi in der Faust hielt, identisch. Man schloß daraus, daß es ein Selbstmord war.
    Don Camillo las das Protokoll, las die Erklärung der Knechte, die bestätigten, daß Pizzi seit einiger Zeit wegen eines großen Geschäftes mit Saatgut, das schiefgegangen war, sehr besorgt war und daß er mehrmals davon gesprochen hätte, mit sich Schluß zu machen; dann ging er, mit dem Christus vom Hauptaltar zu beraten.
    «Jesu», sagte er traurig, «das ist der erste Tote in der Gegend, den ich nicht christlich begraben kann. Es ist auch recht so, wenn man sich nämlich selbst tötet, tötet man ein Geschöpf Gottes und verdammt sich. Er hätte nicht einmal das Recht, auf einem Friedhof zu ruhen, wenn man es streng nimmt.»
    «Bestimmt, Don Camillo.»
    «Man duldet aber, daß er auf heiligem Boden begraben wird, er muß aber allein dorthin kommen, wie ein Hund, weil sich jeder auf die Ebene der Tiere begibt, der auf seine Menschlichkeit verzichtet.»
    «Das ist schmerzlich, es muß aber so sein.»
    Am nächsten Morgen (es war ein Sonntag) hielt Don Camillo während der Messe eine furchterregende Predigt über den Selbstmord. Er war erbarmungslos, fürchterlich, unerbittlich. «Ich werde mich dem Leichnam eines Selbstmörders nicht nähern», schloß er, «wenn ich auch wüßte, daß ich ihm dadurch das Leben zurückgeben könnte!»
    Pizzis Begräbnis fand am selben Nachmittag statt. Der Sarg wurde auf einem schäbigen Wagen dritter Klasse aufgeladen, der sich schaukelnd in Bewegung setzte; hinter ihm fuhren in zwei Kutschen die Frau, der Sohn und die beiden Brüder. Als der Leichenzug in das Dorf kam, schlossen die Leute die Jalousien und begannen durch die Spalten zu spähen.
    Auf einmal geschah etwas Atemberaubendes: plötzlich erschien Don Camillo mit zwei kleinen Ministranten und mit dem Kreuz, begab sich vor den Leichenwagen und ging psalmodierend weiter.
    Im Kirchhof gab Don Camillo den beiden Brüdern Pizzis ein Zeichen, die den Sarg vom Wagen nahmen und sich in die Kirche begaben. Don Camillo las dort eine Messe für den Verstorbenen und segnete den Leichnam ein. Dann nahm er wieder seinen Platz vor dem Leichenwagen ein und ging psalmodierend und zu Fuß durch das Dorf. Keine Seele war zu sehen.
    Auf dem Friedhof, als der Sarg in das Grab sank, atmete Don Camillo tief ein und schrie mit einer Donnerstimme:
    «Gott belohne dein anständiges Leben, du Ehrenmann Antonio Pizzi.»
    Dann warf er eine Handvoll Erde in das Grab, segnete noch einmal den Sarg, verließ langsam den Friedhof und durchquerte wieder das ganze Dorf, das vor Angst wie entvölkert schien.
    «Jesu», sagte Don Camillo, als er wieder in der Kirche war. «Hast Du mir etwas vorzuwerfen?»
    «Jawohl, Don Camillo: wenn man einen armen Verstorbenen zum Friedhof begleitet, ziemt es sich nicht, eine Pistole in der Tasche zu tragen.»
    «Ich verstehe schon, Jesu», sagte Don Camillo. «Ich hätte sie in den Ärmel stecken sollen, um sie leichter zu erreichen.»
    «Nein, Don Camillo, solches Werkzeug läßt man zu Hause, wenn man auch den Leichnam eines Menschen begleitet, der ... selbstgemordet wurde.»
    «Jesu», sagte Don Camillo zum Schluß, «wollen wir wetten, daß ein Ausschuß, zusammengesetzt aus meinen treuesten Betbrüdern, dem Bischof schreiben wird, daß ich ein Sakrileg begangen habe, weil ich einen Selbstmörder zum Friedhof begleitet habe?»
    «Nein», antwortete Christus, «ich wette nicht, weil sie gerade im Begriff sind, dies zu schreiben.»
    «Mit diesem Schritt habe ich mir den Haß aller zugezogen: jener, die Pizzi getötet haben, wie auch jener, die zwar wissen (und alle wissen es), daß Pizzi getötet wurde, und es trotzdem als bequemer empfinden würden, wenn niemand den Selbstmord bezweifelte. Den Haß derselben Verwandten Pizzis sogar, die sich so furchtbar bemühen, den Schein zu erwecken, als ob sie niemals an dem Selbstmord
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher