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Don Camillo und Peppone

Don Camillo und Peppone

Titel: Don Camillo und Peppone
Autoren: Giovannino Guareschi
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beginnt auch die «Kleine Welt» meiner Erzählungen, und diese kleine Welt liegt auf jenem Stück Ebene, das sich zwischen dem Po und den Apenninen ausbreitet.
    Diese «Kleine Welt» ist aber nicht mein eigenes Heimatdorf, sie steht nirgendwo fest. Der Ort der «Kleinen Welt» ist ein kleiner schwarzer Punkt, der sich zusammen mit seinen Pepponi und seinen Smilzi auf und ab entlang des Flusses auf diesem Stück Erde zwischen dem Po und den Apenninen bewegt. Das Klima bleibt aber dasselbe. Die Landschaft auch. Und in einer solchen Landschaft genügt es, auf der Straße stehen zu bleiben und ein Siedlerhaus anzuschauen, das da halb verschwunden in Mais- und Hanffeldern liegt, und schon entsteht eine Geschichte.

    Wie auch Gott einmal Angst bekam

    Ich wohnte in Boscaccio, in einer so tief gelegenen Gegend, daß man sie Bassa nannte, mit meinem Vater, meiner Mutter und meinen elf Brüdern. Ich, der Älteste, war kaum zwölf Jahre alt, Chico, der Jüngste, kaum zwei Jahre.
    Meine Mutter gab mir jeden Morgen einen Laib Brot, ein Säckchen mit Äpfeln oder süßen Kastanien, mein Vater stellte uns im Hof in Reih und Glied auf und ließ uns laut das Vaterunser beten, dann gingen wir mit Gott und kehrten bei Sonnenuntergang zurück.
    Unsere Felder hatten kein Ende und wir hätten den ganzen Tag laufen können, ohne sie zu verlassen. Mein Vater hätte kein Wort gesagt, auch wenn wir ihm ganze keimende Weizenfelder zertrampelt oder eine ganze Reihe von Weinstöcken zertreten hätten. Und trotzdem verließen wir immer wieder die eigenen Felder und trieben dann ziemlich viel Unfug. Auch Chico, der kaum zwei Jahre alt war und einen kleinen rosigen Mund und große Augen mit langen Wimpern und Stirnlocken wie ein Engelein hatte, verschonte keine einzige Gans, die er auf Wurfweite erblickte.
    Und dann, jeden Morgen, kaum daß wir weg waren, kamen immer wieder alte Weiber zum Elternhof mit Körben voll Gänsen, Hennen und Küken, und meine Mutter ersetzte jeden toten Kopf durch einen lebendigen.
    Wir hatten tausend Hühner, die auf unseren Feldern stöberten; wenn wir aber eines in den Topf geben wollten, mußten wir es kaufen.
    Meine Mutter schüttelte den Kopf und fuhr fort, tote Gänse durch lebendige zu ersetzen. Mein Vater runzelte die Stirne, zwirbelte sich seinen langen Schnurrbart hoch und fragte zornig die Weiber aus, um in Erfahrung zu bringen, welcher von den zwölfen den Streich gespielt hatte.
    Wenn ihm hie und da eines sagte, es sei Chico, der Kleinste, gewesen, ließ sich der Vater die Geschichte dreimal oder viermal erzählen und fragte, wie er denn den Stein geworfen habe und ob der Stein groß gewesen sei und ob er die Gans beim ersten Wurf getroffen habe.
    Diese Dinge habe ich erst viel später erfahren. Damals dachte man nicht daran. Ich erinnere mich, wie Chico einmal eine Gans verfolgte, die dumm mitten über eine Wiese spazierte, während ich mich mit den anderen zehn hinter einem Gesträuch versteckt hielt. Da erblickte ich in einer Entfernung von ungefähr zwanzig Schritten meinen Vater, wie er im Schatten einer großen Eiche seine Pfeife rauchte.
    Als Chico die Gans erlegt hatte, ging mein Vater ruhig, mit beiden Händen in den Taschen, davon, und ich und meine Brüder dankten dem lieben Gott.
    «Hat nichts bemerkt», sagte ich leise zu den anderen. Ich konnte damals nicht begreifen, daß der Vater den ganzen Tag unsere Spur verfolgt hatte und sich wie ein Dieb versteckt hielt, nur um sehen zu können, wie Chico die Gänse tötete. Ich verliere aber den Faden. Das kommt davon, daß man zu viele Erinnerungen hat.
    Ich muß Euch sagen, daß Boscaccio eine Gemeinde ist, in der niemand zu sterben pflegte, was der außerordentlichen Luft, die man dort atmete, zuzuschreiben war. Es schien also unmöglich, daß in Boscaccio ein zweijähriges Kind erkranken könnte. Und doch erkrankte Chico ernsthaft. An einem Abend, als wir im Begriffe waren heimzukehren, streckte sich Chico plötzlich auf der Erde aus und fing an zu weinen. Dann hörte er auf zu weinen und schlief ein. Er wollte nicht aufwachen, und ich nahm ihn auf den Arm.
    Chico glühte wie Feuer. Uns alle überfiel furchtbare Angst. Die Sonne ging unter, und der Himmel war schwarz und rot, die Schatten lang. Wir ließen Chico im Gras liegen und liefen brüllend und weinend davon, als ob uns etwas Schreckliches und Geheimnisvolles verfolgt hätte. «Chico schläft und brennt! ...
    Chico hat Feuer im Kopf!» schluchzte ich, als ich vor meinem Vater stand.
    Mein
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